Google ist mit dem jetzt angekündigten IPO mal wieder in aller Munde. Also nicht originell, aber lohnend, bei der Gelegenheit mal wieder ein paar Infos zum Thema zu checken. Denn das spannende an Google ist nicht einmal, wie der beeindruckende - auch wirtschaftliche Erfolg - der hier in Rekordzeit stattgefunden hat, zustande gekommen ist, sondern wie Google's langfristige Strategie ausschaut. Dass die nicht auf "Die Suchmaschine No. 1 sein/bleiben!" beschränkt ist, dürfte den meisten Beobachtern inzwischen klar sein.
Als mistrauischer Mensch habe ich mir wie viele Andere ja schon vor dem letzten IPO-Hype drei Gedanken dazu gemacht. Gefüttert wird das Misstrauen durch die sehr stark mauernde Informationspolitik des Unternehmens und natürlich die interessanten Details, die dank der immer größeren Sichtbarkeit ans Licht gefördert werden.
Wieso macht Googles Erfolg mir (und vielen anderen, nicht nur den ewigen Gewohnheitsskeptikern) Sorgen? Eine mögliche Erklärung in 4 Punkten:
- Eine der wichtigsten Ressourcen und Machtquellen in der Wirtschaftswelt dieses Jahrhunderts sind Informationen. Informationen sind nicht mit "Daten" zu verwechseln. Daten sammeln viele. Daten sind nur das Rohmaterial für Information.
- Für die Erschließung der Ressource Information brauche ich Kapazitäten (und Verfahren) der Informationsverarbeitung, die Daten erst zu Information veredelt.
- Und über diese Kapazitäten (und scheinbar auch ein paar clevere Verfahren) verfügt Google schon heute in einem Umfang, wie kaum eine andere Organisation auf diesem Globus (die NSA vielleicht ausgeschlossen).
- Und Google hat scheinbar zusätzlich ein Prinzip im Griff, wie diese Informationsverarbeitungskapazität relativ problemlos und kostengünstig ausgebaut werden kann.
Ich denke, bei diesem letzte Punkt liegt mittelfristig vielleicht das eigentliche Key Asset des Unternehmens und nicht in der Google-Suchmaschinen-Technologie!
Das sehen die Verantwortlichen bei Google scheinbar ebenso. ...
Denn, wie leistungsfähig ihre Plattform wirklich ist, und welche Ressourcen dafür eingesetzt werden, versuchen sie vor der Öffentlichkeit klug zu verbergen. Siehe Geheimniskrämerei bei Google?. Zitate:
"Diesen Zahlen sollten Sie niemals trauen", sagte Martin Farach-Colton, Informatikprofessor an der Rutgers University, als er vor etwas mehr als einem Jahr einen Vortrag über seinen zwei Jahre dauernden Forschungsaufenthalt bei Google hielt. Dabei stellte er Statistiken zu der Suchmaschine vor, die er selbst als unglaubwürdig bezeichnete. ...Ein paar Leute im Publikum fingen bei dem Vortrag an zu lachen: Die Google-Zahlen machten keinen Sinn. Ich habe selbst nachgerechnet. Die "4 Tera-Ops pro Sekunde" bedeuten 4000 Milliarden Operationen pro Sekunde, ein Server schnellster Bauart erreicht rund zwei Milliarden Operationen pro Sekunde. Das würde also 2000 Servern entsprechen -- nicht etwa 10.000. Vier Petabyte an Festplattenspeicherplatz bedeuten auf 10.000 Server verteilt 400 Gigabyte pro Server. Die Zahl kann wieder nicht stimmen, weil Farach-Colton selbst behauptete, dass Google zwei 80-Gigabyte-Festplatten in jedem seiner Server betreibt.
... Egal wie man es auch dreht und wendet: Die Google-Zahlen sind inkonsistent.
Diese Zahlen sind absurd klein", so Farach-Colton weiter, "Google gibt wesentlich geringere Zahlen an, als es der Wahrheit entspricht." Jedesmal, wenn ein Google-Mitarbeiter eine Präsentation zusammenstelle, erklärte er, überprüfe die Pressestelle den Vortrag im Vorfeld und frisiere die Zahlen nach unten. ...
Die Fakten kommen aber langsam ans Licht. Im letzten November berichtete die New York Times, Google habe die Marke von 100.000 Servern überschritten. Sollte das stimmen, besitzt Google wahrscheinlich das größte Grid-Netzwerk auf dem gesamten Planeten. "Die Tatsache, dass Google Datacenter solcher Größe bauen und betreiben kann, ist allein schon erstaunlich", meint Peter Christy, Mitbegründer der NetsEdge Research Group. ...
Eines von Googles wichtigsten Erfolgsgeheimnisen dürfte in der Fähigkeit liegen, große und extrem dichte Rechner-Cluster zu betreiben. ... Von Anfang an mussten Brin und Page also verteilte Rechenoperationen entwickeln, die auf einem Netzwerk wenig zuverlässiger Rechner laufen würden. ...
Diese Philosophie steckt heute in der DNA der Firma. Google kauft die billigsten Rechner, die man bekommen kann und steckt sie in die unzähligen Racks in einem seiner sechs (oder auch mehr) Datacenter in der ganzen Welt.
Sobald die cleveren Jungs und Madels bei Google (und die haben in den letzten Jahren offensichtlich einige davon rekrutiert) auf eine neue Idee kommen, wie sie aus den Datenströmen im Netz weitere Informationen ziehen und weitere innovative Dienstleistungen anbieten können, haben sie aufgrund dieses Know-hows wenig Probleme, diese Idee auf den Markt zu bringen. Jeder andere, der eine solche Idee hätte, täte sich hingegen verdammt schwer damit. Beispiele gefällig, was man mit Google (und Blogger und bald GMail und ...) machen kann? Bitteschön (aus Marius Sixtus Google Story aus dem Sommer '03:
Und schon beginnen sich langsam die Nebel zu lichten: Was erhalten wir, wenn wir nun eine Million Weblogs nehmen, deren Betreiber berichten, kommentieren, schwadronieren, reflektieren und verlinken als wäre es ein Wettbewerb, eine Suchmaschine dazupacken, die ihren Erfolg auf der Analyse von Linkstrukturen und deren Auswertung gründet ...? Ein absolut einzigartiges Konstrukt aus Datenbank, maschineller Logik und menschlichem Geist. Google transformiert damit schlagartig von der Recherche-Machine zum Trend-O-Meter.Die geballte Power von emsigen, aber dummen automatisierten Searchspidern und die Relevanzbewertung durch biologische, menschliche Suchbots [den Bloggern!] addiert sich nicht, sondern potenziert sich und katapultiert Google vom Rang der wichtigsten Internet-Suchmaschine auf Platz eins der neu geschaffenen Liga, der Gesellschafts-Analyse-Tools. Google wird in Zukunft Momentaufnahmen der Gesellschaft anbieten können, Schnappschüsse der Befindlichkeiten von Millionen, diese Woche, heute, in dieser Minute.
Während Meinungsforschungsinstitute noch ihre Fragebögen ausarbeiten, sind die Antworten darauf bereits Realtime bei Google zu finden. ...
Niemand, der auf die öffentliche Stimmungslage angewiesen ist, ob Politiker, Unternehmer, Medienschaffender oder Marketingexperte, wird in Zukunft an Google vorbeikommen. Google wird nicht nur groß, sondern auch mächtig.
Ok, ok, klingt mal wieder nach leicht paranoidem Google-Bashing, wie es letztlich gross in Mode gekommen ist. Aber "Auch Paranoiker haben Feinde!" Und die Marktmacht im Informationszeitalter, die Google mit extrem innovativen und dem Netzzeitalter ideal angepaßten Mitteln aufbaut, ist gewaltig und wächst! Und die Frage, wie die Inhaber mit dieser Macht umgehen (werden), bleibt offen! Vielleicht ist das Google-Managment wirklich lieb und gut, wie es die PR-Maschine von Google geschickt zu vermitteln versucht (siehe auch den ersten Teil des SEC-Filings, das jetzt im IPO-Kontext veröffentlicht wurde). Aber muss das so bleiben? "Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut"!
Alles entscheidende Frage aktuell scheint für mich: Wie groß ist die Einstiegsbarriere für Wettbewerber in diesem "Markt"? Denn Google's Macht wird nur dann ein wirkliches Problem, wenn sie "absolut" wird. Mir will es aber scheinen (siehe oben), als ob diese Barrieren auf jeden Fall beachtlich sind. Aber vielleicht ist auch das nur kluge Underground-PR, die hier betrieben wird.
Spannend werden die nächsten 12 bis 18 Monate, wenn die alten Heavy-Weights des Netzes, wie Microsoft, Yahoo und Konsorten Google massiv attackieren werden. Wenn Google diese Attacken übersteht, ist er vielleicht da: ein netter, unkonventioneller, total sympathischer Großer Bruder.
zitat: "Niemand, der auf die öffentliche Stimmungslage angewiesen ist, ob Politiker, Unternehmer, Medienschaffender oder Marketingexperte, wird in Zukunft an Google vorbeikommen. Google wird nicht nur groß, sondern auch mächtig."
das würde ich mal so zu bezweifeln wissen, denn google steht auf der einen hälfte der digitalen kluft, und eine ganze menge menschen auf der anderen: rentnerInnen, MigrantInnen, Hartz-IV-Opfer ohne PC, LehramtsstudentInnen, die gerade mal das emailen gelernt haben, diverse leute, die keine zeit haben, ihre meinungen und trendidee irgendwo ins netz zu stellen.
klar, google und das netz ermöglichen es uns, jeden trend zu beobachten, den irgendwer ins netz stellt, aber ob die hobbies der teenie-clique aus hinter-i-tüpflingen zum saisontrend werden, nur weil sie jemand nachlesen kann?
bliebe noch das spin-doctoring, bereits allen bekannt aus ebay, wo sich kumpels gegenseitig die positiven beurteilungen zuschieben, um hinterher besser schummeln zu können...
bliebe noch das letzte problem:
www.zensoogle.de
mfg, caspar
Posted by: Caspar Heybl | Tuesday, 03 August 2004 at 17:48
@Caspar: Bezweifeln darf jeder. Das ist das Schöne am Web. Sogar behaupten darf jeder ...
Deshalb behaupte ich mal frech, dass jeder, der in irgendeiner Form im Netz aktiv sein wird (das heipt NICHT, eigene Websites oder Blogs) aufzusetzen, sondern mailen, suchen, kaufen, nachschlagen wie auch immer, für Google (die Firma, nicht die Suchmaschine) oder vergleichbare Analysesysteme lesbare und auswertbare Spuren hinterlassen wird. Dazu muss man keine "zeit haben, ihre meinungen und trendidee irgendwo ins netz zu stellen." Wobei bitte auf das Wörtchen "sein wird" zu achten ist. "Sein wird" heißt nicht "ist". Das behaupte ich mal. Und Du darfst zweifeln. Ist es im Web nicht schön demokratisch/freiheitlich/pluralistisch?
Und ... Viele Kunden von Umfragen bzw. Studien zu öffentlicher Stimmungslage, Interessen, Kaufgewohnheiten etc. werden sich dann (wenn nicht schon heute), für "rentnerInnen, MigrantInnen, Hartz-IV-Opfer ohne PC, LehramtsstudentInnen" nicht wirklich interessieren. Du magst das zynisch nennen ... Aber es ist so.
Posted by: Markus Breuer | Tuesday, 03 August 2004 at 21:23
Also ich werd drüber nachdenken!!!
Jetzt da googlemail am Start ist...
Posted by: Martin | Tuesday, 28 February 2006 at 16:21