Weblogs, Social Software, Mail-Verteiler etc. verstärken Kreativität in Gruppen und beschleunigen innovative Prozesse. Weil sie die sehr effektiven, evolutionären Mechanismen bei der Entstehung und Entwicklung von Ideen fördern.
Was mich immer wieder fasziniert, ist, wie gut biologische Metaphern - gerade aus dem Umfeld der Evolution - auf andere Anwendungsbereiche "passen". Eine der wichtigsten dieser Metaphern - in der Blogosphere überall zu finden ist "das Mem". Meme sind Ideen, Gedankenbausteine, Konzepte, die in vieler Hinsicht Genen ähneln. (Siehe die Beschreibung in der Wikipedia, auf deutsch leider nur sehr knapp, umfassender hier die englische Seite. Von dieser stammt auch das "Smiley" hier links als Beispiel für ein Mem.).
Durch (sexuelle?) Kombination und Mutation entstehen neue Meme, Meme konkurrieren miteinander, einige setzen sich durch und machen ihre Träger erfolgreicher, "besser angepaßt" in ihrer Umwelt, andere treten zurück, bleiben aber - wie Gene meist auch - in den "Erbanlagen" vorhanden und treten unter geänderten Umweltbedingungen vielleicht wieder zum Vorschein usw. usw. Meme können auch ausgetauscht bzw. kombiniert werden. Ein Gespräch, oder das Lesen eines Buches ist ein bisschen wie Sex. Zwei Sets von Memen, meine und die meines Gesprächspartners/Buchautors kommen zusammen und bilden etwas Neues - in meinem Kopf.
Was das mit Weblogs zu tun hat? Weiterlesen ...
Inzucht bringt keine neuen Ideen hervor
Gruppen von Menschen, Familien, Firmen etc., bilden eine Art Genpool mit Memen ähnlich wie eine Spezies oder eine isolierte Population einer Spezies. Dabei bleiben - mangels sexuellem Kontakt - die Mempools dieser Gruppen oft stark getrennt - Inzucht. Menschen tendieren zu diesem Verhalten, mit Leuten sprechen, die ähnliche Ideen haben, Zeitungen lesen, die die selbe Weltanschauung vertreten etc. Neues entsteht so nicht oder nur sehr langsam - weil nur durch zufällige Mutation. Der schnellere Veränderungsmechanismus der sexuellen Kombination von Genen/Memem liegt brach.
Deshalb ist es für den kreativen und speziell den Innovationsprozess so wichtig, möglichst unterschiedliche Menschen zusammen zu bringen, unterschiedliche Alter, Typen, Branchen, Professionen, Kulturen etc. Das ist schwierig für alle Beteiligten und kann sehr zäh sein. Aber der evolutionäre Prozess der Ideenfindung (und auch das "Aussieben") läuft wesentlich schneller ab, als, wenn immer die selben Leute aus homogenen Gruppen im selben Saft schmoren.
Das Zusammenhängen in Kreisen von Gleichgesinnten ist auch in der Blogosphäre nichts Ungewöhnliches (manchmal Echokammer-Effekt genannt). Lese ich bei Dir einen Post, der meiner Weltanschauung widerspricht (iiih, ein Linker, iiih ein Macho), schmeisse ich Dich von der Blogroll und lese dich nicht mehr!
Warum das Internet Ideen-Sex über Gruppen-Grenzen hinweg fördert
Trotzdem glaube ich, das Weblogs und auch Social Software gerade dabei sind, den evolutionären Prozess der Ideen dramatisch zu beschleunigen. Persönliche Präferenzen filtern auch hier weiterhin die Menge mener potentiellen und tatsächlichen ideellen Sexualpartner. Aber die Barrieren sind erheblich niedriger. Ideenaustausch über räumliche und kulturelle Grenzen hinweg ist erheblich einfacher. Ich selbst beobachte mich zum Beispiel dabei, dass ich Weblogs oder auch Online-Magazine, die ich mir - aus dem weltanschaulichen Filter heraus - niemals gekauft hätte, immer wieder mal lese. Kostet ja nix. Und die eine oder andere Idee bleibt hängen.
Ich glaube deshalb unter anderem auch, dass firmeninterne Weblogs den Erfahrungsaustausch in Unternehmen über Abteilungs- und Standortschranken hinweg sehr effektiv fördern können. Und zwar durch ihren informellen Charakter viel effektiver als es die rigiden Knowledge-Management-Tools der Vergangenheit konnten. (Wer das gerne etwas ausführlicher haben möchte, lese Martin Rölls Paper dazu.)
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