Das sicherlich größte Projekt für Online-Kollaboration, Wikipedia, hat mich schon immer fasziniert. Ich selbst nutze sie viel. Immer ist da aber die nagende Unsicherheit "Stimmt das wirklich?". Wenn jeder mitschreiben kann, wie kann da gewährleistet werden, dass das auch nur annähernd so zuverlässig ist, wie eine richtige, von Experten geschriebene Enzyklopädie? Siehe auch Wikipedia - Aufstieg und unaufhaltsamer Fall?
Solche Befürchtungen kommen immer wieder einmal auf. Letztlich ging auch mal wieder das Interview eines amerkanischen Journalisten mit einem Bibliothekar durch die Blogosphere, in dem der Wikipedia vorgeworfen wurde, "untrustworthy" zu sein. Schöne Übersicht dazu bei Many2Many: Wikipedia Reputation. Und östereichische Kollegen scheinen ähnlich drüber zu denken (Why Wikipedia sucks. Big time.)
Das hat Alex Havavais, einem Wikipedia-Aktivisten keine Ruhe gelassen und er hat einfach mal in 13 Wikipedia-Seiten Fehler reingebaut. Von dezenten bis massiven. Siehe The Isuzu Experiment. Tatsächlich wurden alle diese Fehler innerhalb nicht mal eines Tages entdeckt und korrigiert. Beeindruckend!
In den Kommentaren wird das Experiment zwar angezweifelt. Aber ich denke, der demonstrierte Mechanismus ist tasächlich ein sehr effektiver (siehe auch The Great Wikipedia Authority Debate bei Many2Many). Wie es ein Kommentator sagte: "The power of millions of geeks united"
[via BoingBoing]
Ich beobachte in der deutschen Version der Wikipedia seit etwas mehr als einem Monat fünf Einträge mit Fehlern. Bislang wurden zwei Rechtschreibfehler, aber keiner der inhaltlichen Fehler korrigiert, und ein Artikel ist auf das Doppelte angewachsen, ohne dass relevante Informationen hinzugekommen wären.
Und selbst wenn Fehler korrigiert werden, wer garantiert mir als Benutzer, dass ein Artikel, den ich gerade lese, nicht gerade unmittelbar vorher von einem Spaßvogel verfremdet wurde?
Posted by: Horst | Tuesday, 31 August 2004 at 20:31
Habe Deinem damaligen Post schon tiefe Frustration mit der Wikipedia entnommen. Und diesem Kommentar auch. Aber vielleicht sind es wirklich nur Worte, Schubladen und (falsche) Erwartungen, die wir aufgrund unseres Hintergrunds haben. Vielleicht müssen die Fans der Wikipedia die Gleichsetzung mit einer Enzyklopädie lassen, die Schwächen offensiv nennen und die Feinde der Wikipedia es lassen, die Maßstäbe der gedruckten Enzyklopädie 1:1 anzulegen. ...
Tatsächlich halte ich die Wikipedia für faszinierend und sehr nützlich. Sie hat grosse Vorteile - und grosse Nachteile - gegenüber einer klassischen Enzyklopädie. Ich denke, es ist Bestandteil der viel beschworenen Medienkompetenz (allerdings einer ganz anderen, als man uns in der 60er und 70er Jahren in der Schule beibringen wollte), damit umgehen zu können. Wie es überhaupt sehr wichtig ist, Informationen online (auf verschiedenen Sites) und in den klasssischen Medien "bewerten" zu können. Wie oft treffe ich im Alltag immer noch auf die Ansicht: "Wie, Du wagst es, diese Meinung in Frage zu stellen. Aber es stand doch so in der Zeitung/wurde bei Fiege gesagt/kam in der Tagesschau" ...
Hättest Du aus deiner fachlichen Kompetenz keine Ideen, wie man die Wikipedia besser machen könnte, ohne das Projekt zu stoppen?
Kleines Zitat von Tim Bray dazu
Maybe the Wikipedia is a short-lived fad, maybe it’ll get better, maybe it’ll get worse, but I was surprised that nobody pointed this out: The Wikipedia is beautiful. It’s an unexpected and unexplainable triumph of collective creativity and of order over entropy. I hope it lasts a long time, and those who criticize it Just Don’t Get It.
http://www.tbray.org/ongoing/When/200x/2004/08/31/Wikipedia
Wobei "Just Don’t Get It" natürlich ein übles Totschlagargument ist. Lassen wir das weg, und er drückt exakt meine Gefühle aus. Und etwas so schönes will ich, bei aller berechtigten Kritik, nicht sterben (oder auch nur dahinsiechen) sehen ...
Posted by: Markus Breuer | Thursday, 02 September 2004 at 10:35