Ich bin ja neuerdings ein grosser Freund des Taggings (vs. Ordner-Hierarchien) geworden und versuche, alle möglichen Leute mit dieser Begeisterung anzustecken. Tagging ist der Ansatz, in großen Mengen von Daten mit Labeln/Etiketten Ordnung zu schaffen - statt mit ineinander verschachtelten Ordnern. Mehr dazu unten ... Der Versuch der Begeisterungsansteckung hat bei Nico dazu geführt, dass er mir gestern mit einem Artikel der Essenz "Haben wir doch schon" geantwortet hat (siehe Tag! Du bist!) und darauf hinwies, dass Tags und kategorien tatsächlich schon in einigen Feeds verwendet werden. blogg.de sie unterstützt (klar) und es sogar schon Standardisierungsbemühungen dazu gibt.
Ja ... aber!
Ich denke nicht, dass es ein technisches Problem ist, Tags in Feeds unterzubringen. Mir ging es vor allem darum, Tagging auf der Benutzeroberfläche von Programmen zurm Ordnen und Recherchieren
Deshalb erst einmal: Was ist Tagging überhaupt? Dazu muss ich ein klein bisschen ausholen ...
Was ist Tagging überhaupt?
Im Prinzip nichts anderes als die Vergabe von Stichworten für die Kategorisierung von "Zeugs". Wenn man sehr viel von einer bestimmten Sorte Zeugs hat, ist es ja sinnvoll, das etwas einzuordnen und zu kategoriesieren, damit man überhaupt etwas wiederfindet. Um das zu tun, gibt es die bewährte Philosophie mit den ineinander verschachtelten Ordnern, die zunächst bei Unix entwickelt wurde und später auf dem Mac und unter Windows auf dem PC grosse Verbreitung gefunden hat. Ordner haben nur das Problem, dass jedes Stückchen Zeugs an einer und nur einer Stelle zu liegen kommt (wie beim guten alten Aktenplan). OK, es gibt Tricks das zu umgehen, aber die werden wenig verwendet. ...
Eine solche eindeutige Zuordnung ist oft schwierig, gerade wenn die Strukturen gross und hierarchisch sind. Lege ich die Rechnung vom Klempner Müller unter Korrespondenz / Rechnungen / Müller ab oder unter Müller /Korrespondenz /Rechnungen. Siehe auch Weblogs, Categories and Taxonomies.
Tags funktionieren anders: Ich kann jedem Stückchen Zeugs (einer Datei, einem Weblog-Eintrag) mehrere Tags (Label, Etiketten) zuweisen. Und später alles Zeugs schnell finden, das ein bestimmtes Etikett trägt ... oder zwei bestimmte Etiketten. Es gibt Unterschiede in den Tagging-Philosophien, ob man die Etiketten immer aus einer festen Liste auswählen muss oder spontan für jedes Stück "Zeugs" neu vergibt. Die erste Methode ist sehr restriktiv (ist dann im Prinzip ein sogenannter Thesaurus oder ein "controlled vocabulary). Die zweite kann dazu führen, dass man am Ende Millionen verschiedener Tags in seinem System verwendet, und einem die richtigen nicht mehr einfallen. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Google hat bei Gmail einen recht effektiven Tagging-Mechanismus realisiert, der diesen Mittelweg beschreitet (siehe Wieso Gmail wirklich anders, neu und wichtig ist) und den ich täglich nutze.
Social Tagging
Ein neuer Trend im Web ist das "social Tagging" oder die "Folksonomy" (im Gegensatz zur Taxonomie; siehe u.a. hier). Dabei kann man sehen, welche Tags andere Leute verwenden, kann sie selbst nutzen oder sich ansehen, was andere Leute mit den selben Etiketten ablegen, wie ich. Sehr hilfreich bei der "Findung" sinnvoller Tags für die eigene Arbeit und hochspannend!
Dienste wie Flickr und del.icio.us verwenden dieses Social Tagging intensiv für das Archivieren von Fotos und Bookmarks. Besonders die Realisierung bei del.icio.us ist sehr gelungen und zeigt die Vorteile eines solchen Systems am praktischen Beispiel. (Siehe del.icio.us - ein köstlicher Bookmark-Manager und Collaborative knowledge gardening)
Wer vergibt Tags?
Und hier fängt es an spannend zu werden - und der Bezug zu Nicos Posting wird endlich hergestellt... gerade, wenn man sie im Kontext der Blogosphäre sieht, können Tags aus ganz verschiedenen Quellen kommen:
- Der Autor eines Weblogs kann sie einem Eintrag zuordnen. Wenn es ein Tag pro Eintrag ist, würde ich das eher "Kategorie" nennen. Ist aber eine Spitzfindigkeit.
- Der Autor eines Weblogs kann sie seinem ganzen Feed (allen Einträgen) zuordnen.
- Eine "übergeordnete Instanz" vergibt sie (auf der Ebene von Feeds oder einzelnen Einträgen).
- Ich, als Konsument/Leser vergebe sie nach privaten Kriterien.
- Eine Gruppe Konsumenten/Leser vergibt sie und teilt sie (Social Tagging).
Wunschzettel - ist ja bald Weihnachten
Ich denke, alle Tools, die mit Feeds arbeiten (Blogging-Plattformen, Aggregatoren, Feedster, Feedburner etc.) sollten in der Lage sein, beide Arten von Tags zu nutzen (zum Recherchieren, Filtern etc.) und ggf. den Umgang mit der zweiten Art von Tags (denen, die ich vergebe) einfach und effizient ermöglichen.
Ich persönlich wünsche mir sogar, dass ich so auch mit meinen E-Mails umgehen kann (Gmail macht das schon - fast - perfekt) und mit allen Dokumenten auf der Festplatte. Lasst die Ordner in Frieden sterben.
Tagging rulez!
Da ich Tagging das erstmal beim Programmieren mit meinem Lieblingseditor und auch von dem Unix-Editor Vi kennengelernt habe, bin ich doch ein wenig verwundert, dass es das Wort jetzt als Kategorien, bzw. Topic Ersatz in die Welt verschlagen hat.
Tagging in Deutsch zu übersetzen und zu erklären ist mir bisher immer recht schwer gefallen. Was ich aber spannend finde ist die Tatsache, dass ich beim Erstellen meiner Wiki-Software ebenfalls auf den Trichter mit dem Tagging gekommen bin, um Wiki-Seiten in Kategorien einteilen zu können.
Dabei würde mich jetzt interessieren, wie die Umsetzung in einem Aggregrator (ich schreib gerade unseren RSS-Reader NewsBee in der Version 2) denn aussehen sollte, damit das Ganze wirklich Sinn macht.
Posted by: Siegfried Hirsch | Monday, 13 September 2004 at 20:45
@Siegfried, Zur Übersetzung von Tagging ... Warum nicht "Etikettieren" sagen. Denn das ist es genaugenommen. Aber wie üblich, wird sich vermutlich der englische Begriff durchsetzen.
Zu einer sinnvollen Umsetzung ... Jetz' wird's aber schwierig, zumindest das in einer Kommentar-Antwort unter zu bringen. Lohnt sich aber für mich, da ich gerade an den Requirements für etwas ähnliches arbeite, das wir als Debugging-Tool für eine Webbasierte Anwendung im Umfeld von Feed-Verarbeitung brauchen. Also ...
Zunächst einmal muss man glaube ich beim Tagging bei Feeds unterscheiden zwischen dem Tagging von Feeds bzw. Feedquellen und einzelner Items. Beides ist interessant, sollte aber soweit wie möglich vereinheitlicht werden.
Dann würde ich zunächst einmal systemvergebene Tags definieren, als da wären
# gelesen (beim aktuellen User)
# unread (beim aktuellen User)
Die würden sich bei Tags auf den aktuellen Beitrag beziehen, bei Feeds gälte "read", wenn alle Items im Feed auf "read" stehen
# mod:Today
# mod:thisWeek
# mod:lastWeek
# mod:older
Die würden sich bei Items auf das Mod-Date des aktuellen Items beziehen, bei Feeds auf das Mod-date des jüngsten Items
# auth:
# auth:
# ...
Die würden sich bei Items auf den Author des aktuellen Items beziehen, bei Feeds auf den des Feeds
# auth:
# auth:
# ...
Die würden sich bei Items auf den Author des aktuellen Items beziehen, bei Feeds auf den des Feeds
# top:
# top:
# ...
Die würden sich (nur bei Items auf den/die mitgelieferten Topics, die der Autor vergeben hat beziehen Bei Feeds gibt es die nicht.
Dazu kämen selbst vergebene Tags, die ich ganzen Feeds anhängen kann oder einzelnen Items (wie den Bookmarks bei del.icio.us)
Ergänze das mit einem Feed-Browser, bei dem der User ein oder mehrere Tags aktivieren kann (vielleicht auch - aber vielleicht ist das auch zu kompliziert - Items mit bestimmten Tags, die aber andere Tags NICHT tragen) und links daneben alle ITEMS aufgezeigt werden, die die entsprechenden Tags tragen.
Diese Tag-Liste kann ich dann nach einer bestimmten Auswahl von Kriterien (gleich Tag-Gruppen) sortieren und gruppieren:
- Feed
- Author
- Datum
- ???
In der Liste werden die Items als zusammenklappbare Outline dargestellt. Sortiere ich die nach Feed, bekommen ich die Feeds, die Items enthalten, die die Kriterien matchen, als Outline-Level 1 die Feed-Titel gezeigt.
Klappe ich einen davon aus, kommen darunter die Items zum Vorschein, die in diesem Feed enthalten sind und ebenfalls die Kriterien matchen.
Klingt das wie 'ne Idee oder ist das Gaga?
Posted by: Markus Breuer | Tuesday, 14 September 2004 at 13:12
Hallo Markus,
das klingt wie FeedDemon ;-) und ist sicherlich nicht Gaga. Was dem FeedDemon abgeht, sind die Tags oder Labels (wie es ja bei GMail heisst). Aber könnte noch was kommen, wer weiss.
Ich hab bei unserer NewsBee2 jetzt auch schon recht viel von den Grundgedanken, die mir beim Arbeiten mit GMail gekommen sind, in dieser Richtung angedacht. Was ich auch umgesetzt habe, ist eine Prioriäten-Vergabe für die Feeds, damit man bei wenig Lesezeit einfach bestimmte Dinge grob wegblenden kann. Bei den Tags in Feeds seh ich noch das Problem, dass es da schon wieder haufenweise unterschiedliche Ausprägungen gibt, die man für einen Feed-Reader/-Aggregator wieder unter einen Hut bringen muss, damit die ganze Sache Sinn macht.
Was mir noch fehlt an der Geschichte ist eine Kategorisierung über die Links, die in den Postings auftreten. Denn dort sind ja die Verzweigungen im Link-Space der Blogosphere so spannend.
Klingt gut - das Etikettieren ist mir inzwischen auch in den Sinn gekommen, entspricht den Labels - allerdings hatte es zu Editorzeiten nicht gepasst.
Leo spuckt dazu folgendes aus:
http://dict.leo.org/?search=tagging
Posted by: Siegfried Hirsch | Tuesday, 14 September 2004 at 13:52
Also Tagging ist für mehr als nur für Feeds und Mails geeignet. Wie es Markus ja schon sagte: "[...] und mit allen Dokumenten auf der Festplatte."
Und mit allen Medien (Bilder, Videos, Musik, und so weiter) in einem Wiki und *CMS...
Posted by: Sascha | Saturday, 11 December 2004 at 23:24
Hallo
ich war zwar auf der Suche danach wie ich eine Internetradio-Datei automatisch nach Titeln aufteilen kann, aber richtigerweise landete ich auf diesem Artikel.
Nun, mit tagging setzen sich wohl die meisten Bibliothekare der Welt täglich sehr intensiv auseinander - und in unserer wissensbasierten Gesellschaft zunehmend auch Menschen mit unterschiedlichstem Background.
Im kleinen bin ich von 3 Jahren dazu übergegangen meine Unterlagen Ordner um Ordner mit Paperport zu erfassen und in durchsuchbare PDF umzuwandeln. Damit kann ich meine eingescannten Unterlagen per Volltextsuche nach geeigneten Stichwörtern absuchen - zugegebenerweise ist dies nicht elegant, aber so kann ich auf meinem Netzwerk eine grössere Menge Dokumente zum gesuchten Thema finden. Das Problem bleibt die Zeit für die Erfassung und Bearbeitung der Dokumente.
Das tagging selbst nehme ich auch sehr einfach vor. Bei den Eigenschaften einer Datei gebe ich einfach die Stichworte ein oder einen Kommentar - was leider auch nicht immer funktioniert. Selbst wenn es funktionieren würde, mit der Zeit wäre das Datenvolumen so gross, dass man ohne Index nicht mehr auskommt.
Im Prinzip stehe ich nach wie vor vor derselben Frage die alle grossen Suchmaschinen betreffen: Soll das Wissen von Menschen (teilweise automatisiert) mittels tagging erfasst werden - oder durchsuche ich mittels Volltextsuche das Netz (bei mir das Intranet). Nach wie vor kommen ja beide Varianten von Suchmaschinen vor.
Etikettieren, anschreiben finde ich als deutsche Uebersetzung gut - nur, Ein Objekt kann je nach Sichtweise eine unterschiedliche Etikette bekommen, ist somit faktisch mit vielen Tags zu kennzeichnen.
Wie meine digitalen Photoalben, die ich (in Ordnern) nach Anlass und Jahr sortiere, aber gerne auch nach Namen, Motiv, Grund der Aufnahme sowie Exif-Daten durchforsten möchte...
Je mehr Sichten ich berücksichtigen muss, um so mehr Etiketten muss ich anbringen - der Datenwürfel bleibt jeweils derselbe. Ich denke Bibliothekare sind nicht zu beneiden...
Marc
Posted by: Marc | Friday, 06 May 2005 at 17:27