Als bekennender Anhänger des "Taggings" für die Ablage und das Wiederfinden von "Zeugs" auf dem Computer und im Web bin ich trotzdem nicht ganz blind für die Schwächen dieses Konzepts (siehe auch Was ist Tagging? Und was soll das?) Diese Schwächen haben leider ursächlich mit dem vermutlich wichtigsten Erfolgsfaktor zu tun: der umkomplizierten und nicht reglementierten Anwendung.
Beim Tagging etikettiert ein Anwender relativ frei eine Datei oder ein anderes "digitales Objekt" relativ frei mit einem oder mehreren Schlagworten. Er braucht dazu keine vordefinierte Taxonomie (ein durchdachtes hierarchisches Ordnungssystem) kennen und verstehen. Deshalb geht Tagging schnell und unkompliziert, und macht Tagging so beliebt/erfolgreich.
Nachteil ist, dass die Schlagwortvergabe schnell chaotisch wird. Zum Beispiel an verschiedenen Tagen verschiedene Worte mit ähnlichen Bedeutungen verwendet werden. Noch komplizierter wird es, wenn man, wie bei Flickr oder del.icio.us möglich, einsehen kann, welche "Tags" andere Anwender nutzen. Da wird es noch häufiger vorkommen, dass zwei Menschen verschiedene Worte für denselben Begriff verwenden. Nicht gut!
Natürlich gibt es auch Ideen, wie man diese Schwäche ausbügeln kann (in der Blogosphäre gibt es für alles Ideen, einige davon sind sogar gut) ...
Der eine oder andere Profi (manchmal Bibliothekar oder Archivar), schlägt vor, dass die Leute nur noch Schlagworte aus vordefinierten Listen verwenden dürfen. Jeder, der so etwas vorschlägt, hat offensichtlich nicht verstanden, was den Erfolg des Taggings ausmacht.
Erfolgversprechender erscheinen mir Ansätze, das Tagging mit einem "gruppendynamischen Klärungsprozess" zu kombinieren, wie er momentan bei viele Webprojekten recht erfolgreich verwendet wird (zum Beispiel auch bei der Wikipedia). Peter Mehrholz von Adaptive Path hat kürzlich ein interessantes Essay dazu geschrieben: Metadata for the Masses. Er schlägt vor, auf das "Prinzip Emergence", das unbewußte, ungesteuerte Finden einer Lösung innerhalb einer Gruppe (siehe auch Was hat Social Software mit Ameisen und Innovation zu tun?) zu setzen. Er vergleicht das Herauskristallisieren eines für alle braucbbaren Satzes von Schlagworten für ein bestimmtes Thema mit der Art, wie Trampelpfade in einem Pfad von selbst entstehen. Schöne Metapher. Ich sehe, welche "Tags" die anderen verwenden, und, wenn die mir gefallen, benutze ich sie auch.
Ein weiterer Ansatz wäre es, die Software automatisch Synomyme finden zu lassen, indem sie darauf achtet, ob die Anwender immern wieder dieselben (unterschiedlichen) Schlagworte für bestimmte Dateien, Bilder, Booksmarks etc. verwenden.
Ausgezeichnete Idee! Gerade die letzte gefällt mir besonders gut, denn "Lasse nie etwas die Anwender tun, was eine Software genau so gut machen kann."
Wichtig ist natürlich auch hier wieder, dass diese Funktionalität dem Anwender auf eine Art und Weise präsentiert wird, die ihn nicht davon abhält, das zu tun, was er/sie gerade tun will. (Anwender sind wie alle anderen Menschen zunächst einmal nicht so furchtbar daran interessiert, ob ihre Arbeit anderen als ihnen selbst Nutzen bringt).
Ich persönlich halte die Oberfläche von del.icio.us hier einen guten Ausgangspunkt. Wenn man sich hier alle Bookmarks anzeigen läßt, die ein bestimmtes Etikett tragen, werden einem daneben die anderen "Tags" gezeigt, die man selbst häufig mit vorher gewählten Tag kombiniert hat. Das ist praktisch, weil es einen oft leicht und logisch zu verwandten Themen führt. Wenn man auf Wunsch jetzt angezeigt bekäme, mit welchem Etikett andere Anwender einen Bookmark versehen haben, entdeckt man vielleicht selbst, dass ein anderes Schlagwort "besser" wäre ...
Keine Ahnung, ob das funktioniert. Aber ähnlich subtil müsste das vermutlich schon ablaufen, wenn die Leute wirklich damit arbeiten sollen.
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