Es gibt keine objektive Sicht der Welt. Je nach persönlichen Erfahrungen und Weltanschaung beurteilen zwei Menschen das selbe Ereignis, oder den selben Satz völlig unterschiedlich. Schönes Beispiel: der Clipping-Service für Weblogs BlogSquirrel der Firma CyberAlert. Der wurde in der Meldung bei heise gleich als "Schnüffelservice" apostrophiert", was verschiedene Kommentatoren sofort übernommen haben. Ich selbst sehe diesen Service (der sich ohne weiteres mit bestehenden Anwendungen wie Google, Technorati, Bloglines, Blogpulse etc. kostenlos reproduzieren läßt) ein Anzeichen für das langsame Erkennen des Wertes der in der Blogosphäre geäußerten Ansichten. Bei heise und auf anderen Seiten sieht man jedoch das "Recht auf freie Meinungsäußerung" dadurch bedroht. Ist das Paranoia oder bin ich hoffnungslos naiv?
Komisch, nicht? Aber irgendwie auch ganz normal. Weltanschauung eben.
Irgendwo habe ich mal einen Spruch zu dem Thema gehört: "Kommunikation ist immer das, was beim Empfänger ankommt" (völlig unabhängig davon, was der Absender sagen wollte). Wie wahr ...
Hier noch einmal ein paar Auszüge aus den entsprechenden Artikeln und Kommentaren (wie gesagt, alle beziehen sich auf den selben Text auf der selben Webseite!). Sie illustrieren nicht nur, wie ein und der selbe Vorgang bei unterschiedlichen Paradigmen im Kopf völlig unterschiedlich interpretiert werden kann. Er zeigt auch die Macht der Multiplikatoren und einer schmissigen Headline. Vielleicht ein Grund mehr für Firmen, treue Kunden bei CyberAlert zu werden ...
Zitat aus dem heise-Artikel:
...um von missliebigen Äußerungen in beliebten Web-Tagebüchern so schnell wie möglich Kenntnis zu erhalten und beispielsweise ihre Rechtsabteilungen umgehend in Marsch setzen zu können, bevor die betreffenden Inhalte in der Netzgemeinde die Runde gemacht haben...
was übrigens nicht auf den Seiten der Firma steht, obwohl einige, die sich auf heise beziehen, das offensichtlich meinen. Der Don meint, das wäre egal, ob es dort steht, weil die Firma den Begriff Issue Management verwendet. Und für ihn bedeutet "Issue Management" selbstverständlich (?):
"Kurz gesagt, ist die 1. Devise der Issue Manager: “Man muss sie töten, wenn sie noch klein sind.”
Einen aus klasssicher PR-Sicht geschrieben Artikel gibts beim PR-Blogger
[...] Und wenn sie im Netz fündig werden? Abhängig von der Situation wird ein Unternehmen, das ein für ihn relevantes Issue entdeckt, entscheiden, wie es reagiert: Vielleicht entdeckt es durch das Issue Management eigene Schwächen (z.B. schlechter Service oder Produktqualität). Dann muss das Unternehmen tunlichst etwas unternehmen und den Bloggern dankbar sein für ihre Hinweise. Vielleicht stößt das Unternehmen auf Fehlinformationen über die eigene Firma. Dann hat es womöglich schlecht kommuniziert und muss dies verbessern. Vielleicht aber findet das Unternehmen auch Dinge, die rechtlich nicht in Ordnung sind - etwa der Mißbrauch von Markennamen. Dann aktiviert die Firma vielleicht ihre Anwälte, so wie sie auch bei einem heftigen Verkehrsunfall eingeschaltet werden.
Das würde der Don vermutlich entweder als hoffnungslos weltfremd oder Schönfärberei ansehen ...
Kommentare bei Martin Roell:
habe es heute schon gelesen ... gibt es Möglichkeiten, solchen Firmen zu verbieten, daß man indiziert wird?
René Pönitz am 13.11.04 20:40 #
[...]
die behauptung bei heise, dass hätte etwas mit dem recht auf freie meinungsäußerung zu tun, oder wäre eine bedrohung dafür (versteckt hinter der feigen floskel "... sei mal dahingestellt") ist amüsant. (nahezu) jedes weblog agiert im öffentlichen raum. wenn ein autor nicht will, dass seine meinung von denen gelesen wird, über die er schreibt, ist das eine etwas merkwürdige grundhaltung. den vorgang nennt man, glaube ich, "tratschen" oder "klatschen" (speziell, wenn man sofort den mund hält, sobald der/die betroffene in der nähe ist) und ein webloig ist dafür herzlich ungeeignet.
rechte werden durch gesetze geschützt (oder nicht) und nicht durch tools und sperren von ip-adressen.
Markus Breuer am 15.11.04 06:51 #
merkwürdig mag sie sein, doch ist sie in deutschsprachigen Weblogs nicht allzu selten anzutreffen.
Kommentare bei Moe:
Moe schrieb:
Naja es gab ja auch hierzulande schon Versuche gegen die Art und Weise, wie eine Firma in einem Blog dargestellt wird, gerichtlich anzugehen. Bei BlogSquirrel heisst es: "your organization can build an effective "early warning system" to identify problems and issues that may threaten corporate or brand reputation ..."
14.11.2004 15:22:20faberman schrieb:
BlogSquirrels IP-Range sperren und gut ist.14.11.2004 18:24:32Markus Breuer schrieb:
@moe: jeder vergleich hinkt, verzeih mir. aber nochmal: bloß, weil jemand schon einmal jemand anderen mit seinem weblog beleidigt oder gemobbt hat (gibts genug beispiele), sind weblogs nicht "schlecht", oder?
und deine interpretation von "your organization can build an effective "early warning system" to identify problems and issues that may threaten corporate or brand reputation ..." ist völlig legitim aber eben "deine interpretation". andere sind möglich.
wenn mich ein "early warning system" darüber informiert, dass jemand schreibt, dass er stress mit meinen produkten oder den mitarbeitern meiner firma hat, gibt es viele, viele, viele möglichkeiten, darauf zu reagieren. nicht nur "unseren anwalt einen bösen brief schreiben" zu lassen. auch das passiert - und die betroffenen weinen sich dann herzzereißend in ihren weblogs darüber aus.
was ich aber tatsächlich schon mehrfach erlebt habe, ist, dass nach sachlicher kritik per e-mail oder auch in meinem weblog mich menschen aus den betroffenen firmen angemailt haben, nach details gefragt haben, der sache nachgegangen sind und manchmal abhilfe geschaffen haben.
[...]
und ja, es gibt unternehmen, denen jegliche sensibilität dieser art abgeht. es gibt auch menschen, die jede kritik mit aggression oder faustschlägen beantworten. das als reaktion aber immer gleich zu erwarten, ist eine "schwierige" sicht der welt, oder.
kiesow dazu:
kommnentare bei kiesow:[...] und da [wo?; m.E. nur in der Interpretation bei heise ...] sieht man gleich wieder den eigentlichen hauptgedanken dahinter. man sieht sich wohl eher als zulieferer für die rechtsabteilungen und abmahnanwälte, die dann zeitkritisch in aktion treten können und jegliche meinungsäußerung erstmal mit einem anwaltlichen schreiben zu unterdrücken versuchen.
Viele Andere machen sich in guter Blogger-Manier erst gar nicht die Mühe, den Artikel von heise gross mit eigenen Gedanken zu garnieren (oder auf den Seiten von CyberAlert die Originaltexte zu checken). Kleine Umformulierungen gibt es immerhin hier:Kommentar von: kiesow · http://www.kiesows.deKommentar von: Daniela · http://www.impfinity.org
Jetzt mal ‘ne blöde Frage: fällt sowas nicht eigentlich unter die freie Meinungsäusserung? Solange man keine unwahren Behauptungen aufstellt, dürfte man eigentlich keine Probleme haben… Was haben dir vor, kriege ich dann jedesmal, wenn mir von McDoof schlecht wird und ich drüber blogge, eine Abmahnung?
@daniela: natürlich kommt es darauf an was du bloggst. nur wenn du schlecht über eine firma bloggst und kurz darauf einen brief oder eine mail vom anwalt bekommst, was tust du dann eher? den beitrag löschen und eventuell eine abmahngebühr zahlen oder riskieren verklagt zu werden? insbesondere wenn eine fantasie-summe von mehreren hunderttausend euro als streitwert angegeben wird? die meisten werden klein beigeben.14.11.04 @ 13:51
[...]
Kommentar von: Markus Breuer · http://notizen.typepad.com/aus_der_provinz
@kiesow: [...] dass blogs immer wichtiger werden, ist schön. dass sie dadurch auch eine bedrohung für untrernehmen darstellen können, ist u.U. auch schön. dass sich firmen dagegen wehren, ist vielleicht nicht schön – aber etwas anderes anzunehmen wäre doch a bisserl weltfremd, oder?if you can’t stand the heat, stay outta the kitchen!
btw.: firmen, die die landschaft mit abmahnwellen überziehen, tun nicht unbedingt etwas gutes für ihr image. [...]
14.11.04 @ 16:58
Kommentar von: Don Alphonso
If you can´t stand the heat in the kitchen, shoot the cook. [ansatz gefällt mir] Will sagen, wenn so eine Firma beginnt, komplette Blogs zur finanziellen und später auch rechtlichen Auswerung zu speichern, sollte man sie eigentlich verklagen, oder ihnen eine enorme Rechnung schicken. Cyber Alert spricht eindeutig von Issue Management, und das ist genau das, was Heise erläutert.
Ein wenig musste ich beim Lesen der Postings mit Begriffen von "Schnüffeltool" oder "Lauschangriff" auch wieder an das Thema Framing denken. Siehe Politik = Begriffe belegen? Welche freiheitsliebende obrigkeitskritische Leser mag bei solcher Titulierung überhaupt noch darüber nachdenken, wass ein solches Tool überhaupt macht, wie man es verwenden kann, wie nicht, etc.?PERLENtaucher: Nun geht es also los. Die eigene Meinung zu äußern und über eigene Erfahrungen und Erkenntnisse zu Produkten und Dienstleistungen zu bereichten und zu diese dann auch noch zu veröffentlichen, wird ab sofort argwöhnischst überwacht und kann ggf. zur Strafverfolgung führen. Zunächst einmal in den USA, aber sicher dann auch bald bei uns.
Weblog Das Tool überwacht für Unternehmen über 100.000 Blogs und schlägt Alarm, wenn der Name des Unternehmens oder eines seiner Produkte im Blog auftaucht. Bin ich paranoid, wenn ich daraus die logische Abfolge Blog -> BlogSquirrel -> Unternehmen -> Rechtsabteilung -> Klage ableite? [tscha, wo liegt die "ableitung", die stand ja schon bei heise ...]
[falls eine/r der hier Zitierten oder die entsprechenden Weblogbetreiber/innen durch das Zitat ihre/seine Urheberrechte beschnitten sieht, werde ich die entsprechenden Passagen umgehend entfernen]
Die Gedanken sind frei. Und die Sprache ist es, zum Glück, auch noch. Zumindest relativ frei. Wenn ich sagen möchte, Produkt A ist scheisse, werde ich es tun, gerne auch in der Öffentlichkeit, egal, wer da mitliest. Oder gerade WEIL ich weiss, das Leute mitlesen, welche die Eigenschaften von Produkt A eventuell verbessern können.
Früher hiess das mal "word of mouth". Heute passiert es halt in Weblogs. Üble Nachrede? Just giving consumers a voice. Warum sollte das schlecht sein?
Posted by: Heiko | Monday, 15 November 2004 at 18:10
Was bin ich froh dass ich nicht alleine bin mit meinen Gedanken. Vor allem dieser Punkt hat mich geschockt:
>> Viele Andere machen sich in guter Blogger-Manier erst gar nicht die Mühe, den Artikel von heise gross mit eigenen Gedanken zu garnieren (oder auf den Seiten von CyberAlert die Originaltexte zu checken)
Wie war das? Fact checking, my arse? Traurig.
Und noch was: Probier mal die ueblichen Neugiertools aus und siehe wer das Thema aufgreift (Links zu der Blogsquirrel Seite). Ich habe fast kein nicht-Deutsches Blog finden koennen dass das Thema des "Schnueffeltools" aufgreift. Scheinen alles Ignoranten ob der grossen Gefahren die der Blogwelt drohen zu sein?
Posted by: Armin | Monday, 15 November 2004 at 21:39