Habe ich schon einmal gesagt, dass ich webbasierte Anwendungen liebe? Ok, ja, vielleicht ein- oder zweimal ...
Was an webbasierter Software so schön ist, demonstriert eindrucksvoll 10x10 (das letzte Woche schon durch diverse Weblogs die Runde machte). TenByTen präsentiert jede Stunde die 100 Worte, die aktuell in den News am prominentesten sind und dazu 100 passende Bilder (in einem 10x10-Raster). Speziell der Blick auf die 100 Bilder (bei denen typischerweise viele mehrfach vorkommen) verschafft einenem einen recht guten Eindruck, von dem was aktuell die (westliche) Welt bewegt. Als ich das nebenstehende Bild erstellte, war immer noch Powells Rücktritt ein wichtiges Thema, allerdings inzwischen mehr die Spekulationen über seine Nachfolgerin Rice. Zur Ermittlung der Worte und Bilder verwendet das Programm nämlich die Newsfeeds von Reuters, der BBC und der New York Times.
Wieso ist das mehr als eine schöne Spielerei? Geduld ... und weiterlesen ...
Auf Vorhandenem aufbauen
10x10 ist ein Nutzer anderer Webservices bzw. frei zugänglicher Daten im Web: eben der Feeds der
erwähnten Publikationen und Nachrichtendienste. Diese Daten nimmt das
Programm, wertet sie aus, kombiniert sie miteinander und präsentiert sie neu. 10x10 nutzt dazu die heute wohl einfachste Schnittstelle im Web: eine URL (bzw. URI), deren Aufruf eine XML-Datei (den Feed mit den News) liefert.
Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile
Die Auswertung geschieht auf eine Weise, die die Produzenten dieser Feeds niemals vorhergesehen haben. 10x10 macht etwas neues und schönes daraus. Die Anwendung fügt diesen Rohdaten einen selbst geschaffenen Wert hinzu.
Sein Angebot offenlegen bietet mehr Chancen als Risiken
Die aggregierten Daten, Wortlisten und Bildkompositionen bietet 10x10 selbst über eine wunderbar einfache und klare API im Netz an. Jedem Menschen, jedem Programm, der/das eine URL aufrufen (im Browser eintippen) kann, stehen die Wortlisten und Bilder für jede Stunde, jeden Tag, jeden Monat zur Verfügung. Er/es kann sie nehmen und daraus eigene Anwendungen ableiten: tägliche, langfristige Entwicklungen, Collagen, zufällige Auswahlen, was auch immer ... Dazu ein Auszug aus der "Dokumentation", um einmal zu zeigen, wie simpel und klar eine solche Schnittstelle (API) sein kann:
The data 10x10 produces is structured in a series of folders, all online and publically accessible. The folders are named in accordance with their year/month/day/hour, in the following manner:
- Standard location of a 10x10 data folder for a single hour: http://tenbyten.org/Data/YYYY/MM/DD/HH/
- For example, the word and picture data for November 5, 2004 9am would be stored at: http://tenbyten.org/Data/2004/11/05/09/
Within the folder for each hour, you will find 200 images (each word has a full size image and a thumbnail image) and a wordlist file titled "words.txt". The images are all JPEGS, and are all titled in the following manner:
- "iraq.jpg" - Full size (227x149 pixels) image for the word "iraq".
- "iraq2.jpg" - Thumbnail size (60x40 pixels) image for the word "iraq"
Lose Kopplung statt monolithischer Applikation
10x10 (und die daraus vielleicht noch entstehenden Anwendungen) stellen ein lose gekoppeltes Netz von Verarbeitungsknoten dar. Sie sind verknüpft über denkbar einfach strukturierte Datenströme, die sich die Anwendungen bei Bedarf holen. Jede Verbesserung eines der Knoten kommt allen andenen und deren Nutzern zu Gute. Zusätzlich benötigte Rechenleistung kann an jedem Knoten bereit gestellt werden (ohne den Betrieb der anderen zu beeinträchtigen). Fällt eine der Komponenten aus, mag es sogar möglich sein, andere als Fallback-Lösungen einzusetzen.
Alle Beteiligten gewinnen
Die angezapften Newsfeeds leiden nicht unter der Nutzung durch 10x10. Ihren Produzenten wird kein Geschäft weggenommen. Sie profitieren eher von der zusätzlichen Publicity. 10x10 profitiert von den schon verfügbaren Datenquellen. Und andere können von der Aufbereitung durch 10x10 profitieren (wenn sie wiederum neues daraus schaffen).
Der eine oder andere Purist mag an 10x10 kritisieren, dass die
Oberfläche in Flash statt in DHTML gestrickt wurde. Das halte ich aber
für eine Marginalie (und wäre nicht wirklich nötig gewesen).
Ich bin schon sehr gespannt, was aus diesem Konzept noch wird. Man könnte es in modifizierter Form zum Beispiel auf viele anderen Newsquellen ansetzen, oder auf die Blogosphäre, oder Teilmengen davon, auf die neuen Dokumente in einem Intranet ... Herumspielen mit Ideen ist angesagt (siehe Spielkinder sind gut für's Geschäft) und mit Bauklötzen aus Software geht das am besten (siehe Die Zukunft des Internets: Bastler am Werk)
BTW: was mir an 10x10 weiterhin gut gefällt ist eine der ersten wirklich sinnvollen Anwendungen für den coolen Fischaugen-Effekt bei der Wortliste rechts, den ich im Januar diesen Jahres schon mal ausgebuddelt hatte. Das ist eine sehr elegante Art und Weise, 100 Worte wirklich kompakt und bei Bedarf lesbar auf engem Raum unterzubringen,
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