Mag sein, dass sich das in der deutschen Unternehmerschaft noch nicht zu 100% herumgesprochen hat, viele Unternehmer sind aber tatsächlich davon überzeugt, dass Innovation für ihre Firma letztendlich überlebenswichtig ist (siehe Innovation - einzige Überlebenschance ...). "Innovation" nicht zwangsläufig in der Kategorie "Nobelpreiswürdig", aber wie in "Neues tun", "Bekanntes anders tun", "Mal ein Experiment riskieren" bis hin zu "ein neues Produkt auf dem Markt bringen, das kein anderer anbietet". In der Praxis ist das schwer bis sehr schwer. Denn "nebenbei" muss man ja noch Geld verdienen.
Accenture hat kürzlich in einer Studie Good Ideas Are Not Enough (PDF; 775 KB) die folgende Übersicht gebracht, was Unternehmen davon abhält, Produktideen umzusetzen. Die beiden Top-Gründe umschreiben also primär die mangelnde Verfügbarkeit von qualifizierten Leuten, die das Zeug dazu hätten, aus einer Idee ein Produkt zu machen. Klar, denn die werden ja auch anderweitig dringend gebraucht.
Interessant, oder? Und was ist die klassische Antwort auf eine Herausforderung, die nur hin und wieder auftritt, zeitlich begrenzt ist und für die man nicht genug Kapazität im Unternehmen frei hat? Richtig! Externe reinholen!
Auf den ersten Blick mag das vielen absurd erscheinen. Ist denn nicht gerade Innovation etwas, dass aus der Kernkompetenz des eigenen Unternehmens erwachsen muss? "Haben wir denn nicht selbst genug Ideen?" Ja ... aber, wenn keiner die Zeit hat, etwas daraus zu machen? IBM zum Beispiel hat daraus schon eine Geschäftsidee gemacht On Demand Innovation. Nicht dumm.
Ist eine Überlegung, die sich der eine oder andere Unternehmer durchaus mal durch den Kopf gehen lassen sollte. Vielleicht ist es besser, die eigene Eitelkeit zu überwinden und sich beim Innovations-Prozess Unterstützung holen, als in Würde unterzugehen, oder?
Nur gut, dass man die ganzen kritischen Faktoren die am dringendsten fehlen auch alle bei Accenture kaufen/mieten kann. *G*
Irgendwie muß ich spontan an die Meldug von vor ein paar Tagen denken, die durch verschiedene Blätter rasselte, dass ein Online-Kondomshop in einer Studie (?) herausgefunden hat, dass 80% der Männer die falsche Größe Kondome benutzen sollen. Zum Glück hat man mit dieser Information dann meist auch gleich den Namen des Shops erfahren und konnte das Problem so in konstruktiver Weise angehen. ;)
Nicht, dass die genannten Ursachen nicht prinzipiell plausibel klingen würden, aber man ist sicherlich sehr gut beraten, beim Beziehen dieser Erkenntnisse auf die eigene Situation alle Annahmen und Schlußfolgerungen in Frage zu stellen und sorgfältig zu prüfen...
Posted by: Sencer | Thursday, 02 December 2004 at 10:08
STOP! Guck Dir bitte mal die Skala der Grafik an, die endet rechts bei 60%, nicht bei 100% ...
So plump frisierte Darstellungen lassen mich dann auch sofort "qui bono?" fragen.
M.E. ist die Studie unseriös und komplett für die Rundablage, mißachtet die elementarsten Regeln der Befragung/Auswertung/Dokumentation.
Um nur *einen* Denkanstoß zu geben: Haben bei dem erstgenannten Punkt vielleicht alle restlichen 40% mit "strongly disagree" gestimmt? Würde das die Aussage nicht ganz entscheidend verändern? Gab's diese Option überhaupt? Gab's denn eine Option "other reasons", die vielleicht nicht dargestellt wurde? etc.
Ergebnisse in dieser Qualität kann man nach kurzem Nachdenken doch umdeuten, wie's einem gerade gefällt.
Wenn das sogar mit als Nicht-Profi auf Anhieb auffällt, dann ist das wirklich abgrundtief schlecht durchgezogen.
Posted by: Wolfgang Flamme | Thursday, 02 December 2004 at 12:40
Es gibt noch eine Alternative die viel zu wenig genutzt wird. Die Zeit in der die eigenen Mitarbeiter nicht ausgelastet sind (kommt ja in dieser Zeit öfters mal vor) konsequent und ganz bewusst dazu nutzen an neuen Themen zu arbeiten. Das bringt gleich mehrere Vorteile.
Die Firma erarbeitet sich neue Themen (Innovation), die Mitarbeiter bilden sich so weiter und eingearbeitete Teams bleiben zusammen, und sind somit bei neuen Aufträgen sofort effizient einsatzbereit.
Egal welcher Weg eingeschlagen wird, eins sollte klar sein: Innovation gibt es nicht umsonst.
Posted by: Ralph | Thursday, 02 December 2004 at 14:25
@sencer: hmmmh...
ich kann dein suchen nach hintergedanken sehr gut verstehen. aber ... ich bin ja nun nicht vom glauben an das gute im menschen beseelt (wovon meine artikel gelegentlich beredt auskunft geben), sehe die welt aber andererseits - trotz diverser unschöner erfahrungen - nicht nur mit zynismus allein. (hinterfragen von quellen und interessen ist aber immer gut. ist unter anderem teil von medienkompetenz.)
selbstverständlich gibt accenture eine solches papier nicht aus altruismus in die welt. andererseits wäre es eine arg vereinfachte sicht der dinge, immer davon auszugehen, dass das beraten der berater in erster linie darauf abzielt, mehr beratung einzukaufen. (steht jedem frei, das zu glauben, so ähnlich wie "die politiker denken immer nur an sich selbst" oder "alle männer sind schweine") es ist nur eine vereinfachte sicht der welt, die wie alle vereinfachten sichtweisen zu fehlentscheidungen führen kann. (es gibt immer wieder mal recht seriöse untersuchugen zu dem thema, die eigentlich alle besagen, dass zuviel externe beratung nicht gut, keine externe beratung auch ein fehler ist - das optimum liegt, wie so oft, dazwischen.)
tatsächlich ist der aspekt "innovationsberatung" (nicht outsourcing von innovation) bei accenture relativ klein (soweit mir bekannt). und es sind nicht nur diese jungens und madels allein, die das thema auf der agenda haben. ich habe den link auf die studie hier nur reingenommen, weil sie den einen oder anderen punkt schön rausgearbeitet hat. da es mir nicht um eine wissenschaftliche ausarbeitung des themas ging, habe ich keine lange quellenliste aufgestellt. kann ich aber gerne nachholen. ich halte das für ein hochspannendes thema.
grundtenor der studie von accenture ist übrigens NICHT "kauft berater ein"! es geht mehr um strukturen, prozesse, kulturelle aspekte etc. die innovation fördern können.
@wolfgang: ich käme zunächst einmal nicht mal auf den gedanken, eine darstellung, bei der die werte zwischen 30% und 60% schwanken, auf 100% zu skalieren. sähe ein wissenschaftler vielleicht anders ...
die annahme, dass "Haben bei dem erstgenannten Punkt vielleicht alle restlichen 40% mit "strongly disagree" gestimmt" haben, ist aufgrund der studie selbst mal nicht zu widerlegen (einfachste lösung zur klärung der frage: mail die autoren an, sie schicken dir sicherlich gerne das rohmaterial). sie widerspricht aber VÖLLIG meinen eigenen erfahrungen in meinen eigenen unternehmen oder, wenn ich mit kunden über diese thematik gesprochen habe. problem #1 ist IMMER "ja gerne, aber wann denn?"
@ralph: ja, dass ist tatsächlich eine veritable alternative, die zu einer runden innovations-strategie dazu gehört. tatsächlich ist es leider nur so, dass in den meisten fällen die panik und die kostenbremser regieren, sobald die auftragssituation sich verschärft. es fällt der geschäftsleitung dann oft sehr schwer, wirklich innovative (riskante!) lösungen anzugehen (selbst, wenn sie den mitarbeitern einfallen). eine viel fruchtbarere ausgangslage für echte innovation sind die zeiten, wo es dem unternehmen gut geht. nur sieht dann keiner ein, was das soll - es geht uns doch gut oder? (und zeit dafür ist ja auch nicht da.)
wie du so schön sagst: innovation gibt es nicht umsonst. und die kosten dafür (und sei es opportunitätskosten) verknusen die controller leichter in den hochphasen.
ist ein komplexes thema, gerade in zeiten, wie diesen, wo der blick starr auf umsatz- und kapitalrendite im nächsten quartal gerichtet ist.
Posted by: Markus Breuer | Thursday, 02 December 2004 at 14:50
Markus,
"...sie widerspricht aber VÖLLIG meinen eigenen Erfahrungen in meinen eigenen unternehmen ..."
Richtig. Du hättest dort ja wohl auch "strongly agree" angekreuzt, nicht?
Aber 70% der Befragten haben das _nicht_ angekreuzt.
Überhaupt ergeben sich da so Wischiwaschi-Bilder, weitgehend ohne ausgeprägten Befund.
Ich glaube aber schon, Daß Deine Erfahrung recht typisch ist. Möglicherweise gibt es vielleicht keine gravierenden Ressourcen- oder know-how-Probleme, wenn man Ideen unbedingt umsetzen _wollte_. Daran scheitert es anscheinend nicht. Es scheitert möglicherweise daran, daß immer was anderes gerade wichtiger ist. Die wichtige Frage nach der Prioritätensetzung, die taucht nur im Nebensatz auf:
" ... less than one-third of companies say they have performance assessment processes that have innovation as a priority."
Vielleicht ist für viele der Befragten die Ressourcenfrage nur deshalb kein KO-Kriterium bei der Ideenumsetzung, weil sowas bei denen keine Priorität genießt?
Aber um (auch) das schlüssig zu beantworten, müßten sie die Studie komplett neu ausrollen. Ich habe irgendwie ernste Zweifel, daß eine entspr. Anfrage dazu den Anstoß geben könnte ;-)
Posted by: Wolfgang Flamme | Thursday, 02 December 2004 at 19:15
Ich habe mir deinen Artikel gebookmarked.
Posted by: Jim | Friday, 03 December 2004 at 13:00
Ich habe mir deinen Artikel gebookmarked. Hat mich zum Nachdenken gebracht.
Posted by: Jim | Friday, 03 December 2004 at 13:00
Irgendwie denke ich bei "Innovation on demand" an nichts gutes. Schon alleine der Punkt: wie mißt man Innovation, damit man sie vergüten kann ?
und wenn ein Mitarbeiter dann auf `Knopfdruck´ eine Innovation entwickelt, woher ist man sich sicher, daß sie auch funktioniert ...
und einmal angenommen, so ein IBM-Mitarbeiter hat an einen Tag zwei Ideen: eine ist glorreich, die andere weniger. Welche würde er wohl bei einem `on demand´-Dienst herausgeben, wenn man bedenkt, daß er die andere mit dem eigenen Unternehmen vermarkten könnte ...?
Posted by: René | Saturday, 08 January 2005 at 13:50