Whow! In den letzten drei Tagen konnte man als interessierter Weblog-Leser erstmalig auch in Deutschland beobachten, wie rasend schnell eine Meinungs-Welle (Ideen-Epidemie) durch die Blogosphäre rauschen kann - und wie gefährlich das für Unternehmen werden kann, wenn sie damit nicht umgehen können. Am Sonntag erschien bei Spreeblick die extrem lesenswerte Glosse zu den Geschäftspraktiken beim derzeit erfolgreichsten Taschengeldabzocker Jamba. Nicht einmal 48 Stunden später war der Artikel unbestritten Thema Nummer 1 in der deutschen Blogosphäre. Und Jamba sieht dabei gar nicht gut aus!
Anders als andere Unternehmen hat Jamba - bzw. einige Mitarbeiter - medienadäquat reagiert und in dem entsprechenden Weblog Gegenkommentare gepostet - allerdings "Under Cover", was gar nicht gut ankam, als es ruchbar wurde. Siehe auch die Zusammenfassungen beim PR-Blogger und bei augenmerk.
Man kann jetzt zu Jamba stehen, wie man will (ich finde Klingeltöne prollig und halte die Geschäftspraktiken für eine miese Abzocke - wobei es üblere Formen der Taschengeldabzocke gibt). Was die Story und der dilletantische Umgang des Unternehmens damit sehr schön zeigen, ist, das Weblogs wirklich einen immer wichtigeren Faktor bei PR, Propaganda und Gegenproganda darstellen.
Unternehmen und Blogger könnten da ein paar Lehren oder Erkenntniss draus ziehen:
- Weblogs können "gefährlich" für die Heile-Welt-PR einiger Unternehmen sein.
- Weblogs sind irrelevant und machtlos.
- Der Gegenpropaganda-Mechanismus von Weblogs ist angreifbar
- "Kommunikation nur in der Krise" kann eine negative PR-Welle kaum brechen.
- Effektive Kommunikation basiert auf Vertrauen/Reputation.
- Vertrauen erwirbt man (und firma) sich durch Offenheit und kontinuierliche Kommunikation.
OK, ich gebe zu, dass liest sich vielleicht etwas weit hergeholt, aber der Case Jamba/Spreeblick illustriert tatsächlich alle diese Punkte.
Im Detail:
Weblogs können "gefährlich" für die Heile-Welt-PR einiger Unternehmen sein.
Die Marketing- und PR-Strategien vieler Unternehmen basieren immer noch auf der Annahme einer gewissen Wehrlosigkeit der Konsumenten. Sie gehen davon aus, dass jede - auch noch so hirnrissige - PR-Maßnahme und haltlose Behauptung letztendlich "wirkt", weil es keine Kommunikation "dagegen" gibt (abgesehen davon, wenn sich ein Wettbewerber angegriffen fühlt). Die Konsumenten erfahren deshalb nur die Ansichten und Behauptungen des Unternehmens. Gegner haben selten das Geld und die kommunikative Macht, ihren Ansichten Gehör zu verschaffen.
Von dieser bequemen Situation werden sich PR und Marketing langsam verabschieden müssen. Personal Web-Publishing (Weblogs) stellt ein sehr kostengünstiges und nahezu jedem zugängliches Medium dar, seine Ansichten (und Fakten dazu) zu veröffentlichen. Sie sind zwar zunächst nicht so sichtbar, wie eine groß angelegte Werbekampagne. Stattdessen können sie sich aber über den Schneeball-Effekt rasend schnell multiplizieren und so eine hohe "dezentrale Sichtbarkeit" bekommen. Anders als die offiziellen Verlautbarungen von Unternehmen haben sie zudem - oft fälschlicherweise unterstellt - eine hohe Glaubwürdigkeit und Authentizität.
Der Endeffekt ist auf jeden Fall, dass offensichtliche Lügen und angreifbare Behauptungen nicht mehr einfach "stehen bleiben", sondern eben auch angegriffen werden. Und immer mehr Menschen wird diese Möglichkeit bewußt und sie nutzen sie für das, was ihnen wichtig ist. Heiko Hebig dazu (Ring tones explained) :
Yes, everyone else is linking to this, too, but the message needs to spread.
Und das klappt!
Weblogs sind irrelevant und machtlos.
Trotz aller Begeisterung für die Gegenöffentlichkeit im Web sind Weblogs heute (und werden auch nicht so schnell sein) keine Bildzeitung bzw. kein PR-Apparat, der vergleichbare Wirkung entfalten kann, wie ein paar hunderttausend klug in PR investierte Euronen. Oder wie sagte einer der kommentierenden Jamba-Mitarbeiter:
Dafür ist die Seite [Spreeblick] nicht wichtig genug, das sich ein Teamleiter die Arbeit machen würde! [die Mitarbeiter zum Kommentieren zu peitschen]
Vielleicht nicht, vielleicht doch. Auf jeden Fall ist diese PR-Welle zwar in der Blogosphäre eine recht gewaltige - die deutsche Blogosphäre aber ein ziemlich kleiner Teich. Im großen Meer der deutschen Öffentlichkeit bleibt's eine kleine Welle.
Was aber wäre, wenn es in Deutschland nicht 50.000 Weblogs gäbe, sondern 500.000 und 1 oder 2 Millionen Leser (die Hälfte davon in den Weidegründen von Jamba)? Ich denke, dann würde es nicht nur für einen Teamleiter bei Jamba interessant sein, sich über eine Attacke dieser Art Gedanken zu machen, sondern sogar für die Geschäftsführung.
Kleine Rechenaufgabe am Rande: bei rund 50.000 Weblogs heute und einer monatlichen (!) Wachstumsrate von 10% (tatsächlich ist die höher) dauert es wie lange, bis wir bei 500.000 Weblogs sind?
Und schon heute ist die folgende Frage von Dominik Schwind interessant:
Jetzt interessiert mich doch, was [über Google] in ein- bis zwei Wochen bei der Suche nach Jamba oder Jamba Klingelton gefunden wird..
Der Gegenpropaganda-Mechanismus von Weblogs ist angreifbar
Was die misslungenen Gegenmaßnahmen der Jamba-Mitarbeiter (egal, ob auf Eigeninitiative oder ferngesteuert) aber zeigen, ist dass der Weblog-Mechanismus angreifbar ist. OK, diesmal waren die Unternehmen und ihre Mitarbeiter zu doof, es "geschickt" zu machen. Aber angenommen, man läßt die Leute - ausgestattet mit Kenntnissen über Blogstats, Technorati, BlogPulse etc. - in die Internet-Cafes ausschwärmen und nicht nur beim Verursacher sondern auch bei den Sekundären und tertiären Infektionsherden Gegenpropaganda betreiben ...
Die Anonymität der Kommentarfunktionen ist zwar liberal und schön, macht eine letztendlich auf Vertrauen gründende Gemeinschaft auch angreifbar.
Tatsächlich denke ich, dass solche Aktionen letzdendlich immer herauskämen. Reputation erwirbt man in der Blogosphäre ja eben auch mit seinem eigenen Weblog (und ein paar Dutzend Fakes im Bedarfsfall mal schnell aufbauen ist nicht ganz einfach). Aber durch solche Gegenmaßnahmen ließe sich leicht einige Dynamik aus dem Wachstum der Lawine herausnehmen.
Sie würden allerdings letztendlich auf die Reputation der beteiligten Unternehmen (oder ggf. gekaufter Blogger) zurückfallen und die Glaubwürdigkeit offizieller Unternehmenskommunikation weiter beschädigen. Letzendlich würden sich Unternehmen und PR-Agenturen damit einen Bärendienst erweisen. Was aber nicht heißt, dass es solche Aktionen nicht geben wird - viel cleverer als die plumpen Gegenmaßnahmen im Falle Jamba/Spreeblick.
"Kommunikation nur in der Krise" kann eine negative PR-Welle kaum brechen.
Der Fall hat weiterhin gezeigt, wie schlecht Unternehmen auf solche Fälle vorbereitet sind (kein Wunder, in Deutschland war es ja der erste). Wobei Vorbereitung hier nicht heißen kann, einen Schlachtplan in der Schublade zu haben, der vorgibt, wo man wie dumpf auf Kritiker einschlagen kann. Wie das wirkt, zeigen die "Gegenmaßnahmen" von Jamba sehr schön. Robert Basic zu dem Thema:
dass dies [die gefaketen Kommentare] den Mitarbeitern oder welcher arme Wicht auch immer dahinter stehen mag, nicht zu peinlich ist. Die halten anscheinend Internetuser für total bescheuert :-) Selten sowas peinliches mitbekommen, ...
Was lernen wir draus? Wenn Eure Firma in den Fokus gerät, reagiert AUF KEINEN FALL SO wie “die da oben”!!! Bleibt sachlich, kommuniziert offen und direkt. Worst Practices sind die besten Beispiele, Fehler zu verhindern.
Aber offizielle Stellungnahmen in den Kommentarspalten einflussreicher Weblogs - nicht als PR-Geschwurbel sondern in menschlicher, authentischer Sprache und idealerweise durch verantwortliche Führungskräfte - hätten sicherlich eine dämpfende Wirkung gehabt. Und diese Wirkung hätte - egal, ob man die Gegendarstellungen geglaubt hätte oder nicht - sich positiv auf das Image des Unternehmens ausgewirkt. "Hey, die reden mit uns. Die stellen sich der Kritik." Idealerweise wären diese Kommentare von Personen gekommen, die bereits ein "web-öffentliches" Bild haben und nicht nur als grinsende T-Shirt-Träger auf den PR-Seiten des Unternehmens existieren.
So etwas kann man aber nicht als Plan-B im Katastrophenfall aus der Schublade ziehen. Ein Unternehmen, dass sich für PR-Gaus im Zeitalter des Internets wappnen will, muss langfristig Kommunikationswege aufbauen, authentische Kommunikation einüben und Reputation aufbauen. Die Aussagen eines Unternehmens, das stets nur Werbung und Geschwurbel absondert oder gar die eigene Meinung unter falscher Flagge öffentlich macht, wird in der Krise niemand glauben, auch, wenn jedes einzelne Wort wahr wäre. Bezeichnend der eher nüchterne Björn Ognibeni dazu:
Allerdings hat der Spreeblick-Blogger, ebenfalls in den Kommentaren, schnell klargestellt, dass alle positiven Äußerungen zu Jamba von einer einzigen IP-Nummer ausgehen, die einer Firma namens VeriSign [Mutterfirma von Jamba] gehört.
Effektive Kommunikation basiert auf Vertrauen/Reputation.
Das - die Frage der (mangelnden) Reputation - ist in der neuen PR-Welt der Blogosphäre vielleicht die entscheidende. Ich musste bei der Verfolgung dieser Epidemie immer wieder an das Cluetrain-Manifesto denken (dessen Thema ja ist: "es ist nicht mehr möglich - und auch nicht kaufmännisch effektiv - Kunden als Konsum-Vieh zu betrachten"). Es ist die Unglaubwürdigkeit und in langjähriger Arbeit aufgebaute negative Reputation, die es Werbung und PR heute immer schwerer macht. Es ist das völlige Fehlen authentischen Dialogs bzw. das alleinige Kommunizieren über effektive aber letztendlich nicht "glaubwürdig machende" Werbung. Oder wie sagt Oliver Wagner:
in einem Blog wird das Geschäftsmodell eines großen in Deutschland operierenden Unternehmens (dass Dank starker Präsenz in den Werbeblöcken dieses Landes quasi jedem ein Begriff ist) angeprangert. Einer oder mehrere Mitarbeiter des Hauses mischen sich unter die Diskussionsteilnehmer, prangern den größten Wettbewerber an und gestehen dann Jamba Mitarbeiter zu sein, aber nicht mit der offiziellen Stimme des Unternehmens zu sprechen.
Vertrauen erwirbt man (und firma) sich durch Offenheit und kontinuierliche Kommunikation.
Und die kann man nur in langjähriger Arbeit wieder aufbauen. Durch laufende, proaktive Kommunikation in authentischer Sprache - in (für das Unternehmen) guten wie in schlechten Zeiten, im Dialog mit den Kunden etc. Eben ganz so, wie es die Cluetrain-Autoren propagieren - was mittel- und langfristig übrigens den Unternehmen zugute käme.
Weblogs sind dafür gut geeignet. Siehe dazu auch die Diskussion bei OpenBC zum selben Thema (der Anfang ist zäh; hier einsteigen reicht).
Es wird Kritiker geben, die sagen, dass ein kapitalistisches
Unternehmen das nicht kann, bestenfalls eine Show abliefern wird. Ich
glaube das nicht - zumindest nicht für alle Unternehmen. Und ich denke,
dass es schwierig wird, über Monate und Jahre "eine glaubhafte Show
abzuziehen". Die (potentiellen) Kunden werden die, die authentische Kommunikation "leben" und nicht nur spielen, erkennen und überzeugte Kunden werden. Kunden, die zum Beispiel auch einmal Fehler des Unternehmens akzeptieren und verzeihen, ohne, dass das Markenbild daraufhin für Jahre unter Null rutscht - wie bei Opel passiert.
Lesenswert im Kontext
- Spreeblick: Jamba: Jamba Kurs
- Spreeblick: Jamba: Comments closed
- Artikel 20-Blog: Jamba Masche kindgerecht erklärt und kindisch kommentiert
- Moes Plasticthinking: Wie man aus Scheiße Gold macht
- Augenmerk Agenturblog: PR Gau bei Jamba
- m-e-x.de: jamba-rambazamba
- Lost Focus: Noch mehr Jamba
- _notizen: Erfolgsfaktoren für virale Marketingkampagnen
- PR Blogger: Jamba II: Krisen-Handling
- PR Blogger: Jamba III: Friendly Fire
Und das Fazit: toll, wie schnell sich da ein Thema in Blogs verbreiten kann, auch wenn's von den Betroffenen keine S** interessiert?
Posted by: ThomasL | Wednesday, 15 December 2004 at 12:18
thomas, ich will die tatsächliche wirkung von weblogs in der aktuellen situation nicht hochjubeln (und habe das tatsächlich, glaube ich, auch - mit abschnitten wie "Weblogs sind irrelevant und machtlos" - nicht getan). bei einer epidemie ist immer entscheidend, wer mit wem in kontakt kommt, wie die übertragungswege aussehen etc.
die geringe anzahl aktiver weblogs beschränkt die absolute anzahl erreichbarer opfer bzw. den maximalen durchseuchungsgrad einer idee in einer zielgruppe im moment noch sehr stark. das wird aber - nicht allein durch weblogs sondern auch durch foren, IRC, IM etc. - nicht so bleiben. alle diese kommunikationsmittel fördern epdidemische entwicklungen mit dramatischen ausbreitungsgeschwindigkeiten.
ich habe auch nur mechanismen dargestellt, die bislang zutreffende, funktionierende gesetze ins wanken bringen könnten, und, die zu ignorieren für die betroffenen m.E. unklug wäre. insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass mehr als 50% der blogger in den von jamba bevorzugt angesprochenen altersschichten sind ... (die allerdings typischerweise schlecht "vernetzt" und damit relativ gut ansteckungsgeschützt sind)
fakt ist, dass kein unternehmen schlechte pr brauchen kann. es reicht, wenn es in gewissen kreisen auf einmal als uncool gilt, sich "von jamba abzocken zu lassen" und schon kostet so etwas geld. dazu müssen (leider) nicht alle teenies flächendeckend auf nervige klingeltöne und logos verzichten ...
im moment wird das kaum passieren. aber nächstes jahr um diese zeit oder übernächstes jahr wird's spannend werden. ich denke, die sache mit den kryptonite-fahradschlössern in den USA (wo die virtuellen klatsch- und tratschnetze schon etwas engmaschiger sind) dürfte das unternehmen schon schmerzhaft umsatz gekostet haben.
Posted by: Markus Breuer | Wednesday, 15 December 2004 at 13:15
In der Tat, hätte Jamba nix gesagt, hätten die kein Öl ins Feuer gegossen und Spreeblicks Story wäre halt eine ebenso kurzfristige und amüsante gewesen, wie vieles andere, wenig Nachhaltige auch aus der Blogosphäre. So haben sie halt einen kleinen Schwelbrand erzeugt. Ich persönlich glaube nicht, dass sich auch nur etwas an den Umsätzen für diesen noch nächsten Monat etwas ändern wird. Dafür ist das Geschrei von Jamba (sprich: Werbung) viel zu laut und übertönt alles andere, was nicht annähernd auf gleicher Dezibelstärke Krach macht. Blogs fiepsen quasi.
Für mich als Unternehmer würde es momentan bei solchen Überhitzungen heissen: Einfach aussitzen und genau betrachten und lernen. Wenn(!) es denn die deutsche Blogosphäre betrifft und mein Internetkanal eine reine Visitenkarte ist, aber nicht mein eigentlicher Vertriebskanal; sonst stolpern ja die Leute über Google Einträge und das wäre unschön.
Sobald die deutsche Blogosphäre richtigen Lärm machen kann, würde ich spätestens dann mit einem Notfallplan aufwarten, der aber vorher unbedingt zu erstellen ist. Das ist übrigens nix anderes als die Notfallpläne von Konzernen, wenn die IT zb komplett ausfallen würde (Business Continuing...). Vorteil gegenüber anderen NOtfallplänen: Man kann es intern einigermassen kostengünstig simulieren.
Posted by: Robert Basic | Wednesday, 15 December 2004 at 13:58
klingt nicht unplausibel. und "Jamba (sprich: Werbung) viel zu laut und übertönt alles andere, was nicht annähernd auf gleicher Dezibelstärke Krach macht. Blogs fiepsen quasi." ist wunderschön gesagt. ja, blogs fiepsen ... noch.
als selbst chronisch paranoider unternehmer (aber auch paranoiker haben feinde, echt ...), habe auch ich immer gerne einen plan B in der hinterhand. es gab schon so viele word- und excels auf meiner festplatte die das wörtchen "continuity" darin trugen ... das ist gut und das ist wichtig. was ich nur glaube - in erbarmungswürdig naiver cluetrain-gläubigkeit - ist, dass es nicht reicht, sich auf diese "neue zeit der pr" (schon wieder diese naivität) erst im falle eine falles einzustellen. die grundlage für die erfolgreiche reaktion muss lange vorher gelegt werden, und nicht nur als "plan!.
unternehmen sollten - ob mit und ohne blog - die authentische, proaktive kommunikation mit kunden und umfeld einüben und das reputationskonto HEUTE aufbauen, dass sie brauchen, wenn das kind ins wasser fällt. und da glaube ich, anders als der nette herr, mit dem wir uns neulich bei OpenBC unterhielten, das weblogs ein einfaches übungsmittel sein können (egal, ob ich sie mit einem wcms oder moveable type baue). trainieren jetzt, damit die handgriffe später sitzen, wenn's drauf ankommt.
Posted by: Markus Breuer | Wednesday, 15 December 2004 at 14:22
Ich denke, das es im Hause Jamba noch einige weitere Gründe für die recht nervöse und unausgegorene Reaktion gibt. Auch im Eintrag von Spreeblick wird angerissen, das die profitabelsten Zeiten des Unternehmens möglicherweise vorbei sind.
Zum Beispiel in Hinsicht auf MTV und Viva, die sich mit der immer weiter überbordenden Klingeltonwerbung in eine Sackgasse manövrieren und hier wohl beginnen, sich Gedanken über die aktuelle Situation zu machen. Viele Zuschauer schalten von Werbung genervt um und danach gar nicht mehr ein, "alteingesessene" Werbekunden buchen keine Blöcke zwischen Jamba- und Zed-Spots, die Abhängigkeit von den Werbebudgets von Jamba und Co. wird immer größer (unlängst schon im Spiegel beleuchtet).
Mit Interesse warte ich auch auf Reaktionen von Seiten des Gesetzgebers (Stichwort: Fernabsatzgesetz), wo mir eine Reaktion überfällig zu sein scheint. Wachsende Verschuldung von Jugendlichen ist ja nun schon länger ein Thema und das Handy dabei längst als einer der Hauptgründe ausgemacht.
Auch bei einer (noch) relativ überschaubaren deutschen Blogosphäre kann so ein Vorgang imho zumindest mittelfristig zu einem ernsten Problem für den Konzern werden. Wenn das Thema eines offensichtlich auf Desinformation und Verwirrung bei der Zielgruppe ausgerichteten Vertriebskonzeptes erst einmal zu glimmen begonnen hat ist der Weg z.B. in die Heise-News und einige der "etablierten" Medien nicht mehr weit.
Posted by: ker0zene | Wednesday, 15 December 2004 at 15:02
Das ist der Punkt. Beispiele aus den USA wie Kryptonite, Electronic Arts oder Delta belegen, dass Themen der Blogosphäre durchaus in "etablierte" Medien schwappen, wenn der Nachrichtenwert hoch genug ist. Insofern sehe ich hier einen nahtlosen Übergang der Mediensysteme. Und je mehr Journalisten bloggen, desto eher nehmen sie auch wahr, was in der Blogosphere passiert.
Ein anderer Aspekt: Offenheit und Kommunikation sind sicher wichtig für den Aufbau von Vertrauen. Doch wenn das Produkt nicht stimmt, ist Kommunikation auch kein Allheilmittel. Verbraucherorganisationen haben Jamba seit längerem schon im Blick, die Vorwürfe aus dem "Spreeblick" sind eigentlich nicht wirklich neu.
Posted by: Thomas Pleil | Wednesday, 15 December 2004 at 16:50
sorry, wenn das so rübergekommen wäre, als wollte ich andeuten, dass man mit guter PR (und einem weblog) ein mieses angebot glatt bügeln kann. kann man nicht - zumindest nicht auf dauer. tatsächlich geht es ja - ganz gemäß dem cluetrain-ansatz - um einen dialog zwischen kunde und unternehmen, bei dem auch das unternehmen lernt und dann angebote anpaßt/auf den markt bringt, die eben besser zu den kundenwünschen passen.
meine persönliche ansicht zu jamba erwähnte ich bereits eingangs ... die hat aber nicht unbedingt damit zu tun, ob dem angebot des unternehmens nicht tatsächlich ein bedürfniss (so absurd es mir persönlich erscheint) gegenüber steht. dieses KANN sicherlich mit weniger abzocke befriedigt werden - und unternehmen können trotzdem einen ordentlichen schnitt dabei machen.
ein dialog ist immer auch eine regelschleife im kybernetischen sinne, die bei allen beteiligten komponenten auswirkungen haben kann. diese gegenseitige regelung trägt zu einem neuen gleichgewicht bei - von dem in diesem fall beide beteiligten gruppen etwas hätten. authentische kommunikation (in beiden richtungen) ist nichts anderes als eine solche feedbackschleife.
Posted by: Markus Breuer | Wednesday, 15 December 2004 at 17:03
Wir sind da sehr nahe beieinander. Hatte nur das Gefühl, dass der Produktaspekt in der Diskussion ausdrücklich erwähnt werden sollte, damit nicht PR von manchen als Allheilmittel wahrgenommen wird.
Vielleicht bin ich von einem Pitching, das wir in einem Studiengangsprojekt heute vormittag gemacht haben, noch beeinflusst: Da haben zwei von drei studentischen Lernagenturen in ihrer PR-Konzeption Ziele gesetzt, die durch Kommunikation einfach nicht erreichbar waren, sondern auf der Produktebene liegen. Das kann natürlich ganz falsche Ansprüche wecken...
Noch kurz zum Stichwort Dialog: Es ist vollkommen richtig, dass dieser zu einem neuen Gleichgewicht führt. Betonen sollte man vielleicht noch, dass dies logischerweise auch die Bereitschaft zur Änderung des eigenen Verhaltens bzw. der eigenen Sicht der Dinge voraussetzt. In unserem Fall heißt das, dass ein Unternehmen, das negative Reaktionen auf sein Angebot wahrnimmt, diese Reaktionen bewerten muss und abhängig von dem Gewicht der Gegenmacht auch bereit sein muss, sein Produkt zu ändern (bzw. eine Position aufzugeben).
Posted by: Thomas Pleil | Wednesday, 15 December 2004 at 17:29
> Verhaltens bzw. der eigenen Sicht der Dinge voraussetzt. In unserem Fall
> heißt das, dass ein Unternehmen, das negative Reaktionen auf sein Angebot
> wahrnimmt, diese Reaktionen bewerten muss und abhängig von dem Gewicht der
> Gegenmacht auch bereit sein muss, sein Produkt zu ändern (bzw. eine
> Position aufzugeben).
genau das ist eine funktionierende regelschleife, die übrigens nichts mit moral und ethik zu tun haben MUSS (aber kann). ich denke, dass sich in den modernen märkten mit kommunizierenden verbrauchern angebote, die den verbraucher deutlich übervorteilen, dauerhaft nicht halten werden. die unternehmen, die einen wirklichen dialog (mit änderungsbereitschaft) führen, werden einfach erfolgreicher sein, weil sie die bedürfnisse und (im B2B-bereich) konkreten anforderungen einfach besser erfüllen.
ist übrigens ein ähnlich absurdes dilemma im bereich corporate design/identity. eine CI, die durch mein angebot und mein verhalten gegenüber kunden und geschäftspartnern einfach nicht unterfüttert wird, kann ich mir von der besten agentur der welt bauen und kommunizieren lassen. wenn ich die nicht lebe, wird sie nie in das wahre markenbild (das im hinterkopf der leute) eingang finden.
Posted by: Markus Breuer | Wednesday, 15 December 2004 at 17:37