Vor gut einer Woche erschien im Weblog Spreeblick die kritische Glosse zu den Geschäftspraktiken von Jamba und machte innerhalb von nicht mal 48 Stunden die "perfekte Welle" in der deutschen Blogosphäre (siehe auch Lehren aus der Jamba-Story). Ein geradezu perfektes Lehrstück für die Macht der Mund-zu-Mund-Propaganda im digitalen Zeitalter. Noch heute ist Spreeblick unangefochten die Nummer 1 bei der deutschen Weblog Blogstats.
Heute hat Klaus Eck ein Interview zum Thema mit Tilo Bonow, Director Corporate Communications & Public Affairs (whow!) bei Jamba. Dieses Interview ist ebenfalls ausnehmend lehreich, weil es zeigt, wie hilflos und scheinbar auch nervös Jamba immer noch auf die Sache reagiert. Auf die betont sachlichen und nüchternen Fragen von Klaus Eck gibt er Antworten wie:
Die Kritik der Blogger wird von der allgemeinen Öffentlichkeit vermutlich gar nicht richtig wahrgenommen. Viele Blog-Artikel wirken unorganisiert, undifferenziert und vom Niveau her sehr flach. [...]
[...] ist die Kritik von fehlender Sachkenntnis, Populismus und Neid geprägt. Manche Blogger legen es anscheinend einfach auf Krawall, anstatt auf eine kontroverse Diskussion, die alle Seiten einbezieht, an. Dabei stellt sich für einen Pressesprecher die Frage, ob und wie er darauf reagieren soll.
Diese Frage stellt sich tatsächlich und Herr Bonow beantwortet sie offensichtlich mit "am besten Draufschlagen, Runterreden, Abkanzeln!" Bemerkenswert unentspannt für einen "Director Corporate Communications & Public Affairs"!
Im Detail ...
Zurückbellen ist keine professionelle PR-Arbeit
Natürlich hat Bonow recht. "Viele Blog-Artikel wirken" nicht nur
"unorganisiert, undifferenziert und vom Niveau her sehr flach", sie sind es. Ich frage mich andererseits, in welchen Ausbildungsgang vermittelt wird, dass Kritik an einem Unternehmen oder einer Marke - auch emotionale, unsachliche Kritik - am besten in gleicher Münze zurück zu zahlen ist. Der Tonfall von Seiten Jambas wirkt wenig souverän und erinnert an die klassische Reaktion einers Politikers und seiner Parteifreunde, wenn zum Beispiel Schmiergeldvorwürfe erhoben werden. Da ist schnell von "mangelnder Sachkenntnis" oder "Schmutzfinken" die Rede. Auf den Veranstaltungen der eigenen Partei ist damit - bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - Sympathie und Stimmung im Saal zu wecken. Mittelfristig und ausserhalb der eigenen Schicksalsgemeinschaft verfängt diese Taktik meist kaum
Genausowenig wie ein Abkanzeln von Kritikern durch Unternehmern. Professionelle PR zeichnet sich dadurch aus, die Gegenargumente sachlich zu bringen und gut zu begründen. Dies kann naturgemäß in parteiischer Form passieren. Den Dreck - auch den, der auf dem eigenen Jackett gelandet ist - zurück zu werfen, wird von den meisten Außenstehenden nicht goutiert. Kaum ein PR-Profi wird deshalb Kritiker beschimpfen - höchstens mit einer die eigene Souveränität betonenden dezenten Arroganz begegnen.
Tatsächlich kehrt Bonow zu dieser etwas professionelleren Haltung zurück, wenn er später ganz staatmännisch davon spricht
Wir wollen Betroffene zu Beteiligten machen und unsere Kritiker persönlich ansprechen. [...]
Uns geht es schließlich darum, Transparenz herzustellen, und durch die umfassende Darstellung eines Themas zur Bildung einer objektiven Meinung beizutragen, damit sich Themen online nicht völlig verselbstständigen und einen einseitigen Blickwinkel erhalten.
Ob es Jamba daran gelegen ist, "zur Bildung einer objektiven Meinung" beizutragen, darf jeder persönlich beurteilen. Auf jeden Fall ist das eine Haltung und Ausdruckweise, die eines PR-Profis schon angemessener erscheint. Vielleicht wäre es tatsächlich eine klügere Reaktion gewesen, die Sache totlaufen zu lassen und den Enthusiasmus der eigenen Mitarbeiter zu bremsen. Ich persönlich würde proaktive Kommunikation allerdings für sinnvoller halten.
Insbesondere im Lichte der Tatsache, dass die Vermutung "Die Kritik der Blogger wird von der allgemeinen Öffentlichkeit vermutlich gar nicht richtig wahrgenommen." zwar, so wie formuliert, sicherlich nicht ganz unrichtig ist.
Ist Kritik in Weblogs wirkungslos?
Wirkungslos ist sie aber auch nicht. Inzwischen liefert die Suche nach dem Stichwort Jamba (ohne Ergänzung von "Spreeblick", "Kritik" oder ähnlichen Stichworten) bei Google schon auf den ersten zwei Seiten schon fünf von 20 Treffern, die sich auf diese Affäre beziehen. Und in der Online-Ausgabe der Werber-Postille Werben&Verkaufen erschien heute der erste Beitrag dazu, der den gar nicht schmeichelhaften Titel "Jamba-PR läuft aus dem Ruder" trägt. Auszug:
Dutzende, wenn nicht hunderte von meist negativen Meinungsbeiträgen in verschiedenen Internet-Foren erzeugten binnen weniger Stunden eine Aufmerksamkeit, die das Unternehmen lieber vermieden hätte. Dass Jamba-Mitarbeiter anonym im Spreeblick-Forum ihrem Arbeitgeber Schützenhilfe leisten wollten, kam bei den Blog-Schreibern gleich doppelt schlecht an – die Enttarnung ließ auch nicht lange auf sich warten.
Ich denke, es wird nicht der letzte Artikel zu diesem Thema sein. Und das ist - Wirkungslosigkeit bei den Zielgruppen-Teenagern hin oder her - keine gute PR. Und ich denke, da sollte sich ein Unternehmen wie Jamba drauf einstellen und sich ein paar bessere Argumente einfallen lassen, als "alles Schmutzfinken".
Heißer Tipp: Meinungsmonitoring in Weblogs ist nicht schwer!
Das Interview mit Bonow macht aber noch einen weiteren Aspekt deutlich (der allerdings wenig verwunderlich ist). Deutsche Unternehmen haben die Blogosphäre einfach nicht auf dem Radar. Auf die Frage, auf welche Instrumente das Unternehmen setzt, um Meinungsmache in Internet zu entdecken, erfährt man:
Wir verfolgen Foren und Newsgroups über ein umfangreiches Meinungsmonitoring der Deutschen Medienbeobachtungs Agentur. Bisher haben wir rund 12 Foren aktiv beobachtet.
"Umfangreiches Meinungsmonitoring" ist also, wann man ganze 12 Foren beobachten läßt? Respekt! Da wird sich die Deutsche-Medienbeobachtungs-Agentur wohl bald mal mit Technorati, BlogPulse, PubSub etc. beschäftigen müssen (siehe auch Weblogs bieten Riesenpotentiale für die Marktforschung und Ist ein Clipping-Service für Blogs "Schnüffelei" oder "clevere Geschäftsidee"?).
Der "Director Corporate Communications & Public Affairs" ist gerade mal 24 Lenze jung. Welche PR-Ausbildung er hat, wenn denn eine, ist mir nicht bekannt. Was sein Verhalten allerdings zeigt ist, daß jugendliches Schnöseltum auch bei modernen, hippen Unternehmen mit einem Hauch von NE nicht für jede Position angebracht ist.
Ein erfahrener "battle hardened" PR-Manager ist nicht zu verachten, auch wenn selbiger vielleicht das mehrfache Alter der eigentlichen Zielgruppe des Unternehmens aufweist.
Jamba ist schlicht und ergreifend Opfer des eigenen Jugendwahns geworden.
Posted by: Frank Henne | Thursday, 23 December 2004 at 21:40
ich bin grundsätzlich niemand, der auch jungen kollegen die befähigung für solche jobs absprechen würde. habe da zuviele positive gegenbeispiele erlebt. wenig erfahrung als ursache für unentspanntheit? kann sein. aber das wäre mir zur bewertung eines gesprächspartners erstmal zu einfach und vermutlich auch unfair ... zumal es das gespräch nicht vereinfacht, auf jemanden mit der von dir skizzierten einstellung zuzugehen.
Posted by: Markus Breuer | Friday, 24 December 2004 at 07:53