Der Wind um die Blogoshäre herum (und darin) dreht sich. Wer seriös und nüchtern klingen will, muss Weblogs nicht mehr zur vorübergehenden Mode von ein paar exhibitionistischen Internet-Freaks erklären (kann er noch, muss er aber nicht mehr). Und die kaufmännisch Interessierten können zumindest nicht mehr "ganz ausschließen", dass Weblogs ein Geschäft oder "gut fürs Geschäft" sein können.
Weblogs treten in Phase 2 des >Hype-Cycles ein! Dabei sind es für mich ganz persönlich nicht nur Ereignisse wie der Launch von msn Spaces oder die Tatsache, dass ein paar Millionen Dollar oder Euro Venture Capital in junge Firmen fließen, die sich mit Weblogs und Feeds beschäftigen oder Zusammenschlüsse solcher Firmen finanzieren. Wesentlich scheint mir auch nicht zu sein, dass die professionelle Presse (Spiegel, Zeit, FAZ, Handelsblatt, ZDF ...) auf einmal Weblogs "wahrnimmt", anders wahrnimmt (wann auch meist noch etwas blasiert) oder gar verwendet.
Es ist ein ganz anderes Phänomen, dass bei mir Deja-Vu-Gefühle zu vergleichbaren Stimmungs-Umschwüngen ("Paradigmen-Wechsel" scheint mir ein etwas mächtiges Wort zu sein) weckt: Das ist das vermehrte Auftauchen von neuen, selbst ernannten Weblog-Experten und die angefressene Reaktion der "alten Hasen" in der Blogosphäre auf diese Experten nach dem Motto "Was wollen die denn hier? Wir sind doch die Pioniere ..., fragt uns doch, wenn ihr etwas über Blogs wissen wollt!"
Letzteres ist menschlich verständlich. Aber ich denke, dass die "neuen Experten" der Blogosphäre (der heutigen und der künftigen) gut tun werden.
es letztendlDie Verwunderung mag Formen annehmen, wie bei Klaus Eck Wolfgang Luenenbuerger-Reidenbach zitiert:
[...] von Shel Holtz aus der letzten Woche mag ich dem einen oder anderen neuen Experten ins Stammbuch schreiben:
"MWW labels Friedman a pioneer. I've never heard of him. You? You have to wonder how anybody could have a focused expertise just yet."
Umgekehrt wurde es von einigen Blogger-Kollegen (u.a. Oliver Wagner, Wolfgang Luenenbuerger-Reidenbach, Thomas Gigold, etc.) regelrecht als "Ritterschlag" empfunden wenn Lars-Christian Cords von der renommierten PR-Agentur fischer-Appelt seine Sieben Thesen ans PR-Portal genagelt. IT&W nimmts gewohnt zynisch ( "Wir sind gespannt auf die Antworten des ersten bloggenden Managing Director Corporate Communications, Marketing and Public Relations."). Interessant ist aber doch schon, als wie wichtig eine solche Meinungsäußerung - von ausserhalb der Blogosphäre - bei den Kollegen meist wahrgenommen wird.
Parallel dazu bleibt aber die - berechtigte, und sicher nicht immer aus reiner Eitelkeit entspringende Skepsis gegenüber den "Auf den Zug Springern". Klaus Eck Wolfgang Luenenbuerger-Reidenbach dazu:
Aber umso unruhiger werde ich, wenn ich allerorten die Experten aus der Hecke springen sehe, die bisher vor allem theoretischen Zugang zu dieser Form des Personal Publishing hatten.
Geht mir ähnlich Und tatsächlich bin auch ich der Ansicht, dass man Bloggen "erfahren" muss - am besten mit einem eigenen Weblog - um seine Wirkung auf Autoren, Leser, Kommentatoren etc. die Möglichkeiten und Grenzen der heutigen Werkzeuge, die Mechanismen der vernetzten Kommunikation und vieles mehr "verstehen" zu können. Ob man dafür jahrelang bloggen oder gar zu den "Pionieren" gehören muss, will ich aber mal bezweifeln.
Qualität und Kompetenz zählen - nicht Pioniertum
Ein gutes Weblog, auch ein kompetenter Berater zum Thema Weblogs, ein interessanter Schreiber oder Vortragsredner dazu entsteht ja nicht durch Erfahrung allein. Einige der Leitwölfe in der heutigen deutschen Blogosphäre (halt die "A-List-Blogger"; obwohl das ja niemand für sich in Anspruch nehmen will), sind ja nur deshalb Leitwölfe/innen, weil sie von Anfang an dabei waren und dementsprechend gut vernetzt sind. Sie haben sicherlich "Erfahrung", glänzen aber ansonsten in der Mehrheit kaum mit konsultativer, analytischer, rhetorischer, literarischer, poetischer, journalistischer oder themenspezifischer Kompetenz. Solange der Teich, in dem sie schwimmen, sehr klein ist, wirken sie groß. Ist es aber erst einmal ein Ozean ...
Nein, ich mag niemandem die Kompetenz absprechen, Wichtiges, Interessantes und Neues zum Thema Weblogs beizutragen, auch, wenn er/sie erst ein paar Wochen ein eigenes Weblog führt - zu einigen Aspekten vielleicht nicht einmal dann, wenn gar kein eigenes Weblog da ist.
Diese Entwicklung ist in den USA schon (fast) vorbei. Die wirklich guten aus der Riege der Blogging-Pioniere sind immer noch in der A-List. Die "nur-Pioniere" nicht mehr. Und es sind jede Menge gute neue Weblogs dazu gekommen, die unterhaltsam, kompetent, relevant, aktuell etc. sind - völlig unabhängig davon, wie lange es sie schon gibt. Qualität ist für die Leser - und die Kunden, die die Experten fragen - entscheidend und nicht Seniorität.
Hatten wir doch alles schon mal ...
Wie ich eingangs schon sagte: Das alles weckt massive Deja-Vu-Gefühle in mir. Als jemand, der unter anderem beim Desktop-Publishing Ende der 80er oder bei "Multimedia" Mitte der 90er oder noch früher bei PCs oder bei "grafischen Benutzeroberflächen" miterlebt hat, wie aus kleinen Gemeinden begeisterter Pioniere, wo jeder jeden kannte, Zug um Zug "Big Business" wurde, sieht das für mich nicht wirklich neu aus.
So sehr auch ich damals immer das Zerbrechen dieser kuscheligen Pionier-Cliquen bedauert habe - letztendlich waren es eigentlich immer nur die Leiden des Erwachsenwerdens in den jeweiligen Märkten. Und die, die keine Lust auf Erwachsenwerden hatten, haben sich halt neue Spielfelder gesucht ...
> Umgekehrt wurde es von einigen Blogger-Kollegen (u.a. Oliver Wagner, Klaus Eck, Thomas Gigold, etc.) regelrecht als "Ritterschlag" empfunden
Ähm, ganz sicher nicht! Ich habe diese Thesen nicht als Ritterschlag empfunden; meine Gedanken dazu gingen eher in die Richtung "Auweih, jetzt sabbelt der nächste sich für wichtig haltende PRler über die Gefahren und Chancen von Weblogs". Sowas kann ich kaum mehr hören.
Ich dachte das hatte ich mit dem Beisatz "Und noch ein bedeutungsschwangerer Artikel über Weblogs. Diesmal wieder aus der ‘Business-Ecke’" deutlich genug ausgedrückt?! :o)
Posted by: | Thursday, 13 January 2005 at 15:05
> Umgekehrt wurde es von einigen Blogger-Kollegen (u.a. Oliver Wagner, Klaus Eck, Thomas Gigold, etc.) regelrecht als "Ritterschlag" empfunden
Ähm, ganz sicher nicht! Ich habe diese Thesen nicht als Ritterschlag empfunden; meine Gedanken dazu gingen eher in die Richtung "Auweih, jetzt sabbelt der nächste sich für wichtig haltende PRler über die Gefahren und Chancen von Weblogs". Sowas kann ich kaum mehr hören.
Ich dachte das hatte ich mit dem Beisatz "Und noch ein bedeutungsschwangerer Artikel über Weblogs. Diesmal wieder aus der ‘Business-Ecke’" deutlich genug ausgedrückt?! :o)
Posted by: Thomas Gigold | Thursday, 13 January 2005 at 15:06
> Umgekehrt wurde es von einigen Blogger-Kollegen (u.a. Oliver Wagner, Klaus Eck, Thomas Gigold, etc.) regelrecht als "Ritterschlag" empfunden
Ähm, ganz sicher nicht! Ich habe diese Thesen nicht als Ritterschlag empfunden; meine Gedanken dazu gingen eher in die Richtung "Auweih, jetzt sabbelt der nächste sich für wichtig haltende PRler über die Gefahren und Chancen von Weblogs". Sowas kann ich kaum mehr hören.
Ich dachte das hatte ich mit dem Beisatz "Und noch ein bedeutungsschwangerer Artikel über Weblogs. Diesmal wieder aus der ‘Business-Ecke’" deutlich genug ausgedrückt?! :o)
Posted by: Thomas Gigold | Thursday, 13 January 2005 at 15:08
Super; Typepad spinnt? Ich habe jedesmal jetzt Fehlerseiten/Timeouts beim kommentieren bekommen, nochmal gecheckt ob mein Kommentar da ist (war es nicht) und nochmal geschickt ... Und jetzt steh ich hier als würde ich stottern :o)
Entferne bitte die "überschüssigen" Kommentare und dieses hier ... Oder lass es stehen, schmückt ja auch unheimlich ;-)
Posted by: Thomas Gigold | Thursday, 13 January 2005 at 15:10
Nur eine kleine Korrektur: Auf die Heckenspringer ist in diesem Falle Wolfgang Luenenbuerger-Reidenbach im PR Blogger eingegangen. Wir haben beide über die neuen Blog-Experten geschrieben, deshalb ist das sicherlich nicht ganz leicht zu unterscheiden gewesen *g*.
Ansonsten teile ich seine und auch Deine Meinung. Von "Ritterschlag" würde ich nur insofern sprechen, dass es eine gewisse Anerkennung der Bedeutung von Weblogs für Marketing und Kommunikation darstellt. Nicht mehr und nicht weniger. Natürlich wird sich die Blogosphere ziemlich wandeln, wenn neue professionelle Blogger sich ebenfalls des Mediums annehmen. Ich freue mich auf zahlreiche neue qualitativ hochwertige Blog-Angebote.
Posted by: Klaus Eck | Thursday, 13 January 2005 at 15:48
Sehr lesenswerte Ergänzung zum Thema bei Christopher "Cluetrain" Locke.
http://www.chiefbloggingofficer.com/2005/01/blogabout.html
Das die "Verkäufer" (früher hiessen die ja so) (uns?)jetzt das alles erklären wollen/müssen ist auch normal. Kompetenz zeigen und Claim besetzen heisst das glaub ich, oder? ;-) Und da Chefs selten direkt aus der Quelle trinken, ist ihnen egal woher ihr Wasser kommt. Weiss jeder Wasserträger und nutzt es.
Letztens wollte mir auch jemand erklären was Jazz ist... ;-)
Posted by: Siggi | Friday, 14 January 2005 at 13:21
Good Point. Reaktionen gekränkter Pioniere haben aber sicher auch damit zu tun, dass einige zunehmend auf die kommerziellen Nutzungsmöglichkeiten hinweisen (ich will mich da natürlich nicht ausnehmen), die Pioniere aber besonders hier zu Lande wenig kommerzielle Interessen haben, und diesen vielleicht sogar ablehend gegenüberstehen, weil sie ihre Blogs bewusst als Kontapunkt zu kommerziellem Publizieren nutzen.
Das war damals bei den ersten kommerziellen Nutzungen des Internets so (Lange Diskussionen darüber, ob Unternehmen überhaupt Daten über das Internet schicken dürfen), bei Werbung auf Websites (wie wurde HotBot beschimpft) und – noch viel stärker – bei der ersten kommerziellen Ausbeutung von Open Source Software durch Unternehmen.
Posted by: Thorsten Wichmann | Saturday, 15 January 2005 at 14:45