Scheinbar gibt es jetzt jede Woche ein Thema, das einmal groß durch die Deutsche Blogosphäre rauscht. Diesmal ist nicht kostbarer Premiumcontent deutscher Blogger für Geld wiederverkauft worden. Nein, viel besser: erstmalig tauchten Weblogs im deutschen Fernsehen auf, nicht gerade zur Prime-Time aber immerhin ... Und alle, alle maulen und nörgeln über die diversen Fehler, Unterstellungen, Entstellungen und die rundherum abwertende Grundhaltung. Den Schockwellenreiter, der für die Sendung sogar interviewt wurde, hat's besonders hart unter der Gürtellinie getroffen (Planetopia Lügt). Ix steht fast der Schaum vor dem Mund und Nico kompensiert den Ärger wie gewohnt mit Ironie.
Ich selbst war eher "verwundert über die Verwunderung", die heute nacht und heute morgen durch die deutsche Blogosphäre rauschte. Hatte wirklich jemand erwartet, dass es in der Sendung Planetopia (!) aus der Rubrik Infotainment (!) des werbefinanzierten Senders SAT1 (!) seriösen Journalismus oder eine sachliche Berichterstattung geben würde. Ist das nicht ein bisschen naiv? Das ist "Boulevard", Kinners!
Und alles in allem hat die Sendung der Personal Webpublishing und der Deutschen Blogosphäre eher gut getan; frei nach dem guten alten Spruch "Mir doch egal, was die Zeitungen über mich schreiben; Hauptsache sie schreiben den Namen richtig." Dazu ein Zitat aus einem ganz frischen Weblog von heute Vormittag:
Juhu! Mein Weblog ist eröffnet. Nach einem Beitrag auf Panik-TV [Planetopia] gestern, musste heute das Weblog her.
Einen anderen Effekt kann jeder Blogger, der irgendwie in der Link-Wolke um die Jamba-Geschichte hängt, heute seinen Logfiles ansehen. Planetopia hat jede Menge Leute dazu gebracht, sich Weblogs mal anzusehen. Die können sich jetzt selbst ein Bild machen - und sehen, ob Weblogs für sie interessant sind oder nicht. Dass Artikel in Weblogs "aufbauschen und schlampig recherchiert sind" dürfte den typischen Planetopia-Seher doch nicht wirklich stören, oder?
Ausserdem ist auch diese Story auch einmal wieder ein schönes Experiment im Google-Bombing, wie der Sichelputzer und Robert heute schon erwartungsfroh feststellten. Mal sehen, wie die Suchergebnisse zum Thema Planetopia + Weblogs in ein paar Tagen ausschauen. Ich habe mir jedenfalls schon mal spasseshalber zwei, drei Suchen gebookmarkt.
Unabhängig davon mein herzliches Beileid an den Schockwellenreiter. Ich durfte auch zweimal miterleben, wie Zitate von mir sinnentstellt in der Presse angekommen sind. Fällt alles in die Kategorie "Lehrgeld"...
was für eine Ironie?
Posted by: Nico | Monday, 17 January 2005 at 12:38
Also Bezahlfernsehen ist der GEZ- *und* werbefinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk ebenfalls. Nur weil es auf SAT1 gesendet wurde, *muss* es noch nicht schlecht sein ;-)
Posted by: heiko | Monday, 17 January 2005 at 12:56
Ich bin mir nicht sicher ob Du das nicht überschätzt. Soweit ich das aus der Blogstats-Suche nach "Planetopia" ersehen kann, gibt es nun also einen (1) Blogger mehr, der nach dem TV-Beitrag ein neues Weblog angelegt hat und auf Planetopia Bezug nimmt. Und der ist obendrein Böhse Onkelz Fan.
Du hast übrigens den Link zu besagtem, weiter oben zitierten Blog vergessen. ;)
Posted by: Moe | Monday, 17 January 2005 at 13:12
@heiko:
> Bezahlfernsehen ist der GEZ- *und* werbefinanzierte
> öffentlich-rechtliche Rundfunk ebenfalls
da hast du völlig recht. nur - warum auch immer - gibt es im öffentlich-rechtlichen rundfunk und fernsehen noch einige wenige reservate für seriösen journalismus, die sich allerdings auf dem rückzug befinden.
> Nur weil es auf SAT1 gesendet wurde,
> *muss* es noch nicht schlecht sein ;-)
auch da hast du völlig recht. ich konzediere, dass ich mich von einem vielleicht sentimentalen vorurteil über die öffentlich-rechtlichen zu unbedachten äußerungen habe hinreißen lassen. wie wäre es ersatzweise mit der formulierung "wer würde seriösen journalismus in einer boulevard-sendung erwarten?"
interssanterweise gab und gibt es aber sendungen über wissenschaft und technik im öffentlich rechtlichen umfeld, von denen ich das erwarten würde. vielleicht ist doch ein unterschied da. oder wieder nur vorurteile?
@moe,
> Ich bin mir nicht sicher ob Du das nicht überschätzt. Soweit ich das aus
> der Blogstats-Suche nach "Planetopia" ersehen kann, gibt es nun also einen
> (1) Blogger mehr, der nach dem TV-Beitrag ein neues Weblog angelegt hat und
wieviele blogger nun letztendlich dazukommen wissen wir beide nicht. (tschuldigung für den vergessenen link; wird geflickt)
> auf Planetopia Bezug nimmt. Und der ist obendrein Böhse Onkelz Fan.
den musikgeschmack junger mitmenschen für eine charakterliche be-wertung (was eh quatsch ist) heranzuziehen, habe ich mir seit langem abgewöhnt (da hat mich mein eigener vater zu lange mit genervt). und bitte, lass uns jetzt nicht in "Böhse Onkelz-Exegese" eintreten. vielleicht bin ich sogar einer meinung mit dir. tut hier aber nichts zur sache.
das beispiel war auch mehr a bisserl provokant gemeint. tatsächlich glaube ich aber wirklich daran, dass es im augenblick gut für "personal webpublishing" ist, überhaupt mehr bekanntheit zu bekommen, auch, wenn sie so gefärbt daher kommt wie hier. auch mir wäre ein ausgewogenen bericht über die verschiedenen facetten und die für und wieders lieber. den werden wir aber so rasch nicht bekommen - weil das nach den mechanismen der massenmedien nicht attraktiv genug wäre.
diese kenntnisse kennen (und beklagen teilweise) viele blogger. wie die sich dann über einen ja eigentlich erwartungskonformen beitrag bei sat1 erregen und verwundern können, ist mir einfach schleierhaft.
Posted by: Markus Breuer | Monday, 17 January 2005 at 13:52
Wenn ich mir so die Kommentare bei Jörg Kantel durchlese, bin ich ja ganz froh, dass mir das erspart blieb... Anfang letzter Woche hatte die Redaktion von Planetopia nämlich bei uns an der Uni angerufen, um mich zu dem Thema zu interviewen (wohl aufgrund meines Beitrags für den Spiegel-Online-Artikel zu Jamba einige Tage vorher); da ich gerade in Wien forsche, stand ich aber (leider? zum Glück?) nicht zu einem Interview zur Verfügung.. Was ich im Artikel zum Beitrag auf der SAT1-Homepage von Prof. Neuberger lesen kann, hätte ich wohl auch so gesagt, aber der Kontext bzw. der Rest der Sendung scheint ja nicht sonderlich toll gewesen zu sein. Einen ähnlichen Eindruck hatte schon mein Kollege gehabt, der die Anfrage an mich weiterleitete; anscheinend kam schon beim kurzen Telefonat raus, dass es um einen tendenziösen Beitrag gehen sollte...
Posted by: JanSchmidt | Monday, 17 January 2005 at 17:45
bin mir nicht mal sicher, ob der beitrag "tendenziös" war, zumindest nicht, ob die tendenz einen bestimmten interessenten hatte oder einem zuvor festgefügten vorurteil entsprach. ich denke, es ging nur darum, eine "süffige story" für seine zielgruppe zusammenzunageln.
und die realität ist zwar hochspannend (finde ich) aber schwierig, für das publikum einer boulevard-sendung spannend zu präsentieren. unterschiedlichste menschen, die in unterschiedlicher intensität und begeisterung, mit unterschiedlicher liebe zu akribie und recherche über unterschiedlichste themen schreiben und teils von wildfremden menschen, teils in kleinen cliquen gelesen werden ist, manchmal kommentiert werden, manchmal nicht ... ich befürchte, das wäre für eine solche sendung vermutlich irgendwie nicht ... spitz genug gewesen.
Posted by: Markus Breuer | Monday, 17 January 2005 at 17:58
Das soll der erste Auftritt von Weblogs im Deutschen Fernsehen gewesen sein? Ich kanns kaum glauben. Vielleicht der erste in Planetopia...
Posted by: Torsten | Monday, 17 January 2005 at 19:54
Ich finde die vorrauseilende Entschuldigung Planetopia sei nur Infotainment nicht. Diese Leute haben den Anspruch des Journalismus, stellen ihn auch an Blogger, das Endergebniss ist aber Meinungmache - das finde ich Scheisse und man sollte es auch deutlich aussprechen.
Posted by: Joern | Tuesday, 18 January 2005 at 08:05
Ich teile die Einschätzung, dass, WENN dieser "Bericht" überhaupt einen "Einfluss" hat, dieser ein positiver ist, denn im Gegensatz zur Einschätzung manches Politikers oder Möchtegern"journalisten" ist Otto Normal vielleicht bequem und mag Fast Fodd, aber er ist letztendlich nicht blöde - WENN er also tatsächlich interessiert ist, nachdem er das geschaut hat und ein bisschen herumsurft, egal wie "DAU"-mäßig, dann hat hier nur einer an Glaubwürdigkeit verloren, wenn sie ihnen vorher zugestanden wurde: SAT1 und Planetopia.
Aber! Kommentare wie "Was hast du denn erwartet" oder "Das war doch klar" sind wenig hilfreich - erstens, weil auch seitens der "Beteiligten" keiner was anderes erwartet hat (man lese die Einträge vor der Sendung, da ist allenthalben Skepsis) und auch WENN dass alles natürlich genauso geworden ist, wie man das von einem Springernahen Boulevardsender erwartet, man MUSS es dennoch sagen, dass dies so nicht in Ordnung ist, alles andere ist resignierter Zynismus, und wenn ich so weit bin bin ich jenseits allem, was irgendwie etwas "verändern" könnte, oder erläutern oder "besser" machen....
Posted by: Sven | Tuesday, 18 January 2005 at 08:13
@ sven:
> ist, wie man das von einem Springernahen Boulevardsender erwartet, man MUSS
> es dennoch sagen, dass dies so nicht in Ordnung ist, alles andere ist
> resignierter Zynismus, und wenn ich so weit bin bin ich jenseits allem, was
> irgendwie etwas "verändern" könnte, oder erläutern oder "besser"
> machen....
verzeih einem alten mann ein bisschen zynismus. du hast völlig recht.
zudem mache ich oft das selbe - mich erregen über tatbestände und
verhalten - die ich auch "nicht anders erwartet hätte". mea culpa und
"wer im glashaus sitzt" ...
verzeih mir aber auch die ehrlich gemeinte ansicht, das rumnörgeln im
eigenen blog - auf zumindest teilweise sehr niedrigem niveau - kein
"besser machen" ist.
viele blogger machen es "besser", indem sie gute weblogs betreiben.
das haben sie vor und nach planetopia gemacht. die "welle", die nach
dem beitrag durch die blogosphäre rollte, hat aber m.E. wenig "besser"
gemacht. ich denke, es wird nicht einmal bei denen viel erreichen, die
nach der sendung mal "echte blogs anschauen gehen".
selbst die reaktionen von spreeblick und beim SWR, die einigermaßen
detailliert auf die fehler eingingen, dürften durch die ihren
zornig/emotionalen tonfall bei solchen leuten eher den gegenteiligen
effekt erzielen. wer in einer solchen auseinandersetzung als erster
die contenance verliert, hat bei vielen "zuhörern" leider verloren -
egal, wie gut seine argumente tatsächlich sind und wie verständlich
die emotionale reaktion ist.
"gute blogs machen" dürfte etwas "verbessern". ich geb mir mühe, da
mitzumachen (du auch; "call you a cynic" ... *grin*). und du magst den
kritisierten artikel gerne als ausrutscher meinerseits empfinden ...
sorry.
Posted by: Markus Breuer | Tuesday, 18 January 2005 at 19:31
> selbst die reaktionen von spreeblick und beim SWR, die einigermaßen
> detailliert auf die fehler eingingen, dürften durch die ihren
> zornig/emotionalen tonfall bei solchen leuten eher den gegenteiligen
> effekt erzielen. wer in einer solchen auseinandersetzung als erster
> die contenance verliert, hat bei vielen "zuhörern" leider verloren -
> egal, wie gut seine argumente tatsächlich sind und wie verständlich
> die emotionale reaktion ist.
Glaub' ich nichtmal, dass das so negativ rüberkommt, im Gegenteil (drum stimme ich dir im Tenor "Nützt mehr als es schadet" ja völlig zu), ich denke, dass dieses einerseits "sauber" Argumentieren, andererseits mit etwas Emotionalität eingebrachter personal touch sogar eher attraktiv ist, weil der Leser da einen Menschen vor sich hat und das ja auch - für mich jedenfalls - gerade den Reiz dieses "Formats" ausmacht, denn sonst könnt' ich ja auch dpa-Meldungen lesen. Nein, ich glaube, eben das ist die große Stärke der (guten) Blogs: echte Argumente zu liefern mit der Ehrlichkeit dahinter, dass es sich am Ende um die Meinung einer "echten" Person handelt, die man teilen kann aber nicht muss.
Pseudo-Sachlichkeit, die aus Meinung und Wahrnehmung (nichts anderes ist jede "News", denn jemand nimmt sie wahr und vermittelt nicht etwa ein "objektives" Geschehen sondern eben seine Wahrnehmung) den Eindruck von "Fakten" machen soll, und somit von "Wahrheit" im allgemeingültigen Sinne ist das, was versucht wird von den "Mainstreammedien" zu erreichen.
Die Blogs sind da "ehrlicher", denn hier kann ich einen Sachverhalt zu meiner Wahrnehmung hinzufügen, den ich über verschiedene Augen (und Wahrnehmungen) zu meiner eigenen Wahrnehmung gestalten kann. Meine "Wahrheit" ist durch die Summe der diese speisenden verschiedenen subjektiven, aber damit "ehrlichen", Wahrnehmungen weit objektiver als die, die mir da von so mancher scheinbar "objektiven Berichterstattung" vermittelt werden soll, meine ich.
> "gute blogs machen" dürfte etwas "verbessern". ich geb mir mühe, da
> mitzumachen (du auch; "call you a cynic" ... *grin*). und du magst den
> kritisierten artikel gerne als ausrutscher meinerseits empfinden ...
Und du die Missverständlichkeit meines Kommentars als den meinen, der lange nicht so "kritisch" speziell "gegen" dich gemeint war, wie er wohl rüberkam, hätte wohl irgendwo ein "wie es vor allem in manchen Kommentaren passiert" einfügen sollen ;-)
was ich versuchte zusammenzustottern habe ich in der Zwischenzeit ganz hübsch formuliert woanders gefunden, mit ein paar eloquenteren Fremdwörtern :-) :
http://www.usrportage.de/article/141/
Posted by: Sven | Tuesday, 18 January 2005 at 22:27
Ich würde Dir insgesamt zustimmen, der Beitrag hat der Blogosphäre in der Tat eher genützt als geschadet. Das ändert aber nichts daran, daß der Beitrag vom journalistisch extrem schlecht war. Das Zielpublikum von Blogs ist eben ein anderes, als das von Planetopia. Wer sich nach dem Ansehen des Planetopia-Beitrages die Mühe gemacht hat (erstmalig) Blogs zu lesen, hat genug Gegendarstellung zu verarbeiten gehabt - vielleicht bleibt er dabei und liest weiter. Gut so. Für die vielbeschworenen Bild_Leser und Boulevard_Magazin_für_Wahrheit_nehmer sind Blogs ohnehin ein zu anstrengendes Medium. Ich bin mir nicht sicher, inwiefern der Beitrag Jamba geholfen oder eher geschadet hat - Die Verbindung Spreeblick/Jamba kann Jamba trotz Absolut Glaubhaftem Dementi eigentlich weiterhin nur schaden und kaum nutzen.
Posted by: Menteith | Wednesday, 19 January 2005 at 10:46
Kurze Info: Heute (donnerstag 20.1.) kommt zwischen 19 und 22 Uhr auf fm4 ein Beitrag zum Thema "Blogger gegen Jamba" (siehe http://fm4.orf.at/). fm4 ist als Live-Stream verfügbar; ich werde es zeitlich vermutlich leider nicht schaffen, mir die Sendung anzuhören, aber vielleicht schalten andere mal ein? :)
Posted by: JanSchmidt | Thursday, 20 January 2005 at 12:24
Planetopia ist nicht Infotainment, sondern Schund. Aber diesmal hatte jeder die Chance sich nicht zum Kaspar machen zu lassen - unter anderem Dank der vielen Blogs, die schon ausgiebig über Fehlleistungen dieser Sendung berichtet haben. Die Blogger sollten ihrem eigenen Medium vertrauen.
Posted by: Torsten | Thursday, 20 January 2005 at 17:36
Das Weblog ist durch die ihm zugesprochene "Macht" ein ernstzunehmender Gegner. Planetopia hat es sich aufgrund der Tatsache verscherzt, dass im Weblog die freie emotionale Meinungsvielfalt herrscht, wie sie im Print- und Hörfunksektor nicht immer ans Tageslicht tritt und durch redaktionelle Einschnitte immer wieder einer Zensur unterliegt. Wer sich als Blogger durch das Vertrauen in das eigene Können nicht von sich und seiner Arbeit überzeugen kann... der darf weiterhin Fernsehen, Radiohören und Zeitunglesen!
Posted by: Mike Schnoor | Saturday, 22 January 2005 at 14:00
@Moe. Wo ist das Problem an meinem Onkelzfan-Dasein?
Posted by: Achim | Tuesday, 22 February 2005 at 16:21