Ich - als Männchen - habe früher nie so recht verstanden, was eigentlich "Shopping" ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es heute richtig verstehe. Vielleicht bin ich hormonell einfach falsch ausgestattet. Aber zumindest hat mir das Zitat "Wenn es beim Shopping nur darum ginge, einzukaufen, hieße es 'Buying'!" dem femininen Verständnis dieser Beschäftigung näher gebracht. Shopping ist nicht möglichst effizientes Eínkaufen sondern eine erlebnisbetonte, oft stark sozial geprägte Beschäftigung, die man am besten zusammen mit einer oder mehreren guten Freund/innen genießt.
Deswegen funktioniert Shopping im Web nicht.
Einkaufen im Web ist wie Blättern im Katalog. Das muss nicht zwangsläufig langweilig sein, ist hinsichtlich des Spaßfaktors aber Lichtjahre von Shopping entfernt.
Einkaufen in virtuellen Welten ist fundamental anders. Hier ist echtes Shopping möglich; nicht nur möglich, sondern schon heute ein wichtiger Faktor im "Ecommerce".
Was dem Einkaufserlebnis im Web ebenfalls fehlt, sind Malls, Einkaufspassagen. In der physischen Welt sind solche Ballungen unterschiedlicher Geschäfte enorm wichtig. Die Absicht, Produkt A zu erwerben, führt mich an Geschäften für Produktkategorie B vorbei - und das empfinde ich nicht als ablenkend sondern als anregend - zumindest, wenn ich "shoppen" will.
Das Netz kennt aber keine Distanz - oder Nähe. Und man geht nicht an einem Laden vorbei, wenn man einen anderen aufsuchen möchte. Deshalb gibt es keine "Laufkundschaft". Einkaufspassagen funktionieren nicht.
In virtuellen Welten ist auch das anders. Deshalb werden Malls (Einkaufspassagen) auch im Web (3D) bald wieder eine große Bedeutung haben. Tatsächlich gibt es schon existierende Projekte, deren Erfolg das Mall-Prinzip bestätigen.
Technorati Tags: net marketing, net business, second life, web 3.d
Warum Shopping in virtuellen Welten funktioniert
Virtuelle Welten wie Second Life und There bieten zwei Features, die zusammen Shopping ermöglichen:
- 3D-Darstellung von Produkt und Umgebung
- Soziales Erlebnis
3D-Darstellung
Contrary to popular opinion ist das nicht der wichtigste Aspekt. Für die Produktdarstelllung hat 3D unter Umständen Vorteile. Andererseits kann es sehr aufwendig sein, von allen Produkten 3D-Darstellungen anzufertigen. In nicht allzu ferner Zukunft mag das aber einfacher werden. Schließlich werden eine Vielzahl von Produkten inzwischen mit CAD-Techniken entworfen.
Das ist aber nicht der einzige Vorteil. Tatsächlich wird ein nett eingerichtetes, realistisches Ladenlokal beim Shoppen als angenehm empfunden. Wir wollen nicht in einem Lager Waren abholen sondern shoppen. Und Produkte können in einem räumlichen Kontext präsentiert werden, was dazu führt, dass tatsächlich immer ein Produkt im Fokus gibt und weitere Angebote im Hintergrund sichtbar sind. Alle Versuche, diese Prinzipien im 2D Web zu simulieren, sind bislang kläglich gescheitert.
Soziales Erlebnis
Shoppen ist ja häufig ein Typ Entertainment, der in der Gruppe genossen wird. Das Diskutieren über die Angebote, das Anprobieren und Vorzeigen ist mindestens so wichtig, wie der schnöde Produkterwerb. Shopping-Websites unterstützen das so gut wie gar nicht. In einer virtuellen Welt ist es nicht nur leicht, sich mit Freunden (und Freundinnen) zum Shoppen zusammen zu tun. Es ist mehr oder weniger der Daseinszweck dieser Plattformen.
Warum Malls in virtuellen Welten funktionieren
Für die unter uns, die Ende der 90er im Web dabei waren, sind Online-Malls nichts besonderes. Zu dieser Zeit haben das viele für eine geniale Idee gehalten. Es gab mehrere Versuche, solche virtuellen Einkaufspassagen aufzuziehen und alle sind kläglich gescheitert.
Im nachhinein liegt der Grund dafür auf der Hand: Jede Website ist von einer anderen genau so weit entfernt wie von jeder anderen: genau einen Mausklick. Wenn ich eine besuche und "den Laden verlasse", komme ich nicht an anderen "Läden" vorbei. Natürlich kann ich auf Website A Werbung für Website B machen. Aber das ist keine Nähe, das ist kein subtiles Wahrnehmen weiterer Möglichkeiten im Hintergrund meines Bewußtseins sondern ... Reklame.
In einer virtuellen Welt passiert aber genau das selbe wie in der physischen: benachbarte Geschäfte ergänzen sich. Sie bieten den Konsumenten ein reicheres Kauferlebnis und den Händlern ... Laufkundschaft! Das ist keine Theorie sondern gelebte Praxis. In der virtuellen Welt Second Life sind inzwischen riesige Malls entstanden. Die bekannteste "Land Baronin" dieser Welt, Anshe Chung, hat beispielsweise ein zusammenhängendes Areal von mehr als 2 Millionen Quadratmeter (virtuelles Land) an Ladeninhaber vermietet und damit eine riesige Einkaufszone geschaffen. Das Modell geht scheinbar auf.
Ich habe deshalb Null Zweifel daran, dass virtuelle Welten im zukünftigen Online-Shopping eine große Rolle spielen werden.
Die heute verfügbaren Plattformen in dieser Kategorie - allen voran Second Life - unterstützen virtuelle Shopping Touren schon recht gut. 3D-Darstellungen, gemeinsames Bummeln, chatten, einfache Kauffunktionen auch für Kleinbeträge sind Standard. Was momentan noch fehlt, ist eine bessere Kopplung zwischen Web und virtuellen Welten. Denn Web-Shops haben auch Vorteile. Als Kataloge. Und diese Kataloge wird man sich dann - eventuell gemeinsam - in einer virtuellen Einkaufsumgebung ansehen können und direkt zur Präsentation der Produkte in der 3D- Welt geführt werden. Weitere Stärken heutiger Web-Shops sind die existierenden Prozesse für die Auslieferung realer Objekte, Datenschnittstellen zu Warenwirtschafts- und Buchhaltungssystemen etc. etc. All diese Räder muss man nicht neu erfinden. Das gibt es alles schon für das Web.
Habe ich eigentlich schon erwähnt, das Linden Lab, die Betreiberfirma von Second Life, kürzlich eine recht flexible Schnittstelle für den direkten Datenaustausch zwischen Second Life und beliebigen Seiten im Web realisiert hat? Und intensiv an der Darstellung von Webseiten innerhalb der Welt (projiziert auf beliebige 3D Objekte natürlich) arbeitet?
du hast dort wirklich besondere aspekte angesprochen. ich stimme zu, mit heutigen technischen mitteln wird virtuelles "shoppen" sicher attraktiver als mit den mall konzepten der mittleren und späten neunziger jahre.
aber irgendwie stimmt es mich doch fad. haben die kollegen bei second life denn in sachen personalisierung und login nichts gelernt?
eine anmeldung kommt quasi der einreise in die usa gleich. was bei der einreise und der nutzung von second life alles angegeben werden muss - holla.
... ich wollte doch nur mal guggen... :-(
gehe ich in eine einkaufstraße oder einkaufszentrum, da muss ich doch auch nicht gleich eine anmeldung hinterlassen.
ich finde auch die avatare, können auch im web heute anspechender als die SIMS ausschauen.
Posted by: gerhard | Friday, 27 October 2006 at 10:50
Du sprichst in Deinem Artikel wichtige Punkte an. Was jedoch m.E. nicht erwähnt wurde: Die «virtual mall» funktioniert in SL nicht allein deshalb, weil die konzepte ausgeklügelter sind, sondern auch, weil die leute nicht in SL unterwegs wären, wenn sie nicht prinzipiell lust hätten, sich in 3d-welten zu bewegen.
die potenziellen kunden bringen also alle eine affinität für 3d-umgebungen bereits mit. viele nicht-SL-leute haben möglicherweise einfach keinen bock auf 3d und scrollen sich lieber durch eine liste, um ein produkt zu finden (geht mir ehrlich gesagt auch so). ich frage mich deshalb, wie stark diese «mall»-konzepte ausserhalb von umfassenden (3d-spiel-)systemen ein revival erleben werden.
Posted by: Simon | Monday, 22 January 2007 at 15:50
Lieber Simon, bitte verzeih mir, aber mir ist nicht so ganz klar, was Du/Sie uns damit genau sagen möchtest. Das irgendwelche Konzepte in diesem Umfeld "ausgeklügelt" wären, hat niemand (zumindest ich nicht) behauptet. Und Menschen, die keine Affinität zu virtuellen Welten haben, werden eine virtuelle Mall sicherlich nicht besuchen, keine Frage. Wie sollten Sie auch? Genauso wird vermutlich niemand, der der Überzeugung ist, dass im Internet nur Betrüger, Päderasten und Bombenbauer unterwegs sind, bei Amazon einkaufen.
Interessant als Zielgruppe für v-Shopping sind alle die, die keine Ängste vor dem Internet haben (weltweit vielleicht eine knappe Milliarde Menschen, zumindest einige 100 Millionen) und die, die dem Phänomen virtueller Welten nicht ablehnend gegenüberstehen. Was letzteres in einer Betrachtungsweise als Zielkundenpotential angeht: bereits heute besuchen rund 20 Millionen Menschen regelmäßig virtuelle Welten in ihren verschiedenen Darreichungsformen. Die Wachstumraten in diesem Segment liegen im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich (pro Monat!). Den Rest überlasse ich dem geneigten Leser als kleine Rechenaufgaben ...
Posted by: Markus Breuer (Pham Neutra) | Tuesday, 23 January 2007 at 08:29