Während aktuell die großen Firmen gerade erst dabei sind, die vielfältigen Potentiale virtueller Welten, wie Second Life, zu entdecken (und sich dabei auch die ersten Beulen holen), bleibt die Entwicklung natürlich nicht stehen. Der nächste Schritt ist die Koppelung der virtuellen Realität mit dem Web und dann die Überlagerung von virtueller und physischer Realität im Sinne der "Augmented Reality". Unternehmen, die heute beginnen, virtuelle Welten in ihre Kommunikations- und/oder IT-Strategie zu integrieren, tun gut daran, diese nächste Entwicklungsstufe gleich mit einzuplanen.
Das sogenannte Metaversum (engl. metaverse), also virtuelle 3D-Welten wie Second Life, There, Eve etc., haben trotz gewisser Kinderkrankheiten tatsächlich große Vorteile gegenüber dem 2D-Web. Ein aktuelles Problem mit allen diesen Plattformen ist aber ihre Anbindung an die physische Realität - in der sich das Leben und vor allem das Geschäftsleben ja nach wie vor primär abspielt. Was aktuell fehlt, ist der Brückenschlag vom Metaversum zur physischen Welt.
Die erste Brücke, die gebaut wird, ist sicherlich die ins Web. Einige Plattformen - allen voran wieder Second Life - verfügen bereits über Schnittstellen, die Webseiten mit "Orten" in der virtuellen Welt verbinden und einen Datenaustausch zwischen virtuellen Objekten und Webservern ermöglichen, Auf diese Weise werden in Kürze Webshops und andere Transaktionssysteme mit Systemen in virtuellen Welten gekoppelt werden. Erste Lösungen existieren, sind aber noch klobig.
Auch bei solchen Kopplungen befinden sich die Anwender aber immer noch "vor einem PC", zum Beispiel in einem virtuellen Shop. Die nächste Generation von Hardware und Software wird ein Eintauchen in die virtuelle Realität an nahezu jedem Ort erlauben und nicht nur Webseiten sondern die physische Realität mit virtuellen Overlays koppeln. Möglich machen das schnelle mobile Netze, wearable PCs sowie neue Datensichtgeräte und 3D-Displays
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Die Ursprünge der Vision von Augmented Reality
Diese Idee ist - wie das Metaverse - nicht wirklich neu. Science Fiction Autoren haben sie, wie Internet und Cyberspace, schon einmal vorgedacht. 15 Jahre nach den ersten Visionen dieser Art wird die Technologie nun langsam verfügbar.
Wer nach ersten Dramatisierungen solcher Konzepte sucht, wird in den 90ern bei William Gibson fündig. In seinem Roman Virtual Light, spielt eine "Datenbrille" eine große Rolle. betrachtet man mit dieser gewisse Punkte in der Realität, blendet diese automatisch Overlays mit Datenangaben ein - oder überlagert das Bild mit 3D Darstellungen. Das benutzen Polizisten in der Spurensicherung, Architekten bei der Städteplanung etc.
Die jüngste Version einer literarischen Umsetzung dieser Idee stammt von meinem Lieblingsautor Vernor Vinge und trägt den Namen Rainbows End. Hier sind Kleidungsstücke standardmäßig mit PCs von einer Rechenleistung heutiger Superrechner ausgestattet und viele Menschen tragen Datenbrillen ähnlich wie in Virtual Light oder gar Kontaktlinsen, die ähnliches leisten.
Diese Menschen können jederzeit die physische Realität gegen eine virtuelle austauschen oder beide Realitäten mischen. Je nach Qualität des Equipments ist es dann oft sehr schwierig, bei einem Meeting überhaupt noch zwischen physisch Anwesenden und virtuell zugeschalteten zu unterscheiden. Gruppen von Fans gehen - in echter Web2.0-Philosophie - dazu über, ganze Landstriche durch Phantasiewelten (in der selben Geographie aber mit anderem Aussehen) zu ersetzen. Und wer diese Sichtweisen abonniert, durchwandert vielleicht Mittelerde oder Supermans Metropolis, während sein Körper sich in einem Kalifornien wenige Jahre in der Zukunft aufhält.
Der Stand heute
Tatsächlich ist das alles schon jetzt keine Science-Fiction mehr. Erste Versionen solcher Datenbrillen - nicht mehr zu verwechseln mit den klobigen Helmen der frühen VR-Experimente - und von gestengesteuerten Eingabesystemen sind in der Entwicklung. In der jüngsten Ausgabe von heise's Technologie-Review ist ein schöner Übersichtsartikel zu finden, die die aktuellen Entwicklungen beleuchtet. Die Online-Version ist leider stark gekürzt. In der Print-Ausgabe gibt es viele, leider sehr oberflächliche, Beschreibungen aktueller Entwicklungen - gerade auch aus "Deutschen Landen". Der Autor stellt Entwicklungen und aktuelle Anwendungen in Bereichen wie Produktentwicklung und Architektur/Städteplanung vor - und reißt (er ist studierter Philosoph) soziologische und philosophische Fragestellungen an.
Was auffällt, ist, dass die Redaktion den Artikel flächendeckend mit Screenshots aus Second Life illustriert hat (nahezu ausschließlich aus dem offiziellen PR-Material!) Das lässt leichte Zweifel an der Recherche vor Ort aufkommen. Ich hätte gern ein bisschen mehr "real existierende Forschung" gesehen. Nichtsdestotrotz ist es ein guter Überblick für jeden der sich einen Überblick der Möglichkeiten und des Stands der Forschung in Deutschland verschaffen möchte.
Anwendungsmodelle für Augmented Reality
Natürlich sind diese Entwicklungen nicht dazu gedacht, sich virtuelle Phantasiewelten zu basteln und gemeinsam mit anderen darin zu lustwandeln (sie werden aber sicherlich dazu verwendet werden). Aber wie wäre es mit einem realen Ladengeschäft, in dem ich neben den (physisch) vorrätigen Produkten alle möglichen anderen Modelle, Farben, Größen etc. ansehen kann, in dem auf kurzes Blinzeln über den Artikel die Preise und technischen Daten auftauchen. Ein Shop, wie hier rechts gezeigte (aus Second Life) könnte seine Dekoration - weite Teile des Interieurs - aus digitalen Daten aufbauen.
Wie wäre es, wenn wir einen Konferenzraum aufsuchen, in dem sich 3 Kollegen "real" befinden, 5 andere aber "virtuell" eingeblendet werden? Oder wie wäre es, wenn Städteplaner und Bürger durch ein Stadtviertel gehen und verschiedene Varianten künftiger Bebauungspläne sehen - so, als wären sie schon umgesetzt worden; (potentielle) Kunden, denen man Produkte zeigt - mit denen sie auch gleich umgehen können - bevor diese Produkte in Produktion gehen; Wohnungen, Hotels, Büros mit denen man Betatests macht, wie heute mit Software (siehe auch Marketing und Prototyping für eine Hotelkette in Second Life; Innenansicht eines solchen Hotels hier links).
Die Möglichkeiten sind endlos - wie auch die Gefahren, die in einer solchen Welt durch Hacker entstehen. Diese können letztendlich dann "die Welt hacken". Daraus kann man natürlich spannende Stories machen; noch ein Grund, Rainbows End einmal zu lesen. Und dabei immer dran denken: mit wenigen Ausnahmen, ist das, was der Autor hier beschreibt in Labors und Entwicklungsabteilungen schon heute Realität. Es bleibt spannend.
Hallo,
ich finde es sehr spannend, dass diese noch relativ unbekannten Technologie immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit tritt. Persönlich beschäftige ich mich schon ziemlich lange mit AR und arbeite seit knapp 3 Jahren daran, dass aus diesen Visionen bald Wirklichkeit wird.
Den Artikel in der Technologie Review habe ich ebenfalls gelesen und, als jemand der die "Szene" ganz gut kennt, muss ich sagen, dass der Artikel m.E. schlecht recherchiert war. Dies betrifft neben dem nicht dargestellten Stand der Forschung in Deutschland (vgl. www.arvika.de und www.artesas.de, um nur mal zwei Beispiele zu nennen) vor allem die bereits ersten am Markt existierenden AR-Anwendungen.
Beispiele:
www.kick-real.de (Handyspiel)
www.http://www.shd.de/deu/loesungen/KPS/KPS_clickdesign/index.php (Einrichtungsplaner mit AR)
www.metaio.com/mp (Fabrikplanung mit AR)
Ich denke damit wurden wesentliche Informationen überhaupt nicht aufgeführt, stattdessen habe ich fast ausschliesslich Bilder aus Second Life bzw. aus VR-Anwendungen vorgefunden.
Übrigens: Eine der in ihrem Blog genannten Visionen wird in Kürze Wirklichkeit: Unser Unternehmen stellt demnächst die erste echte Online-Shopping Demonstration mit Hilfe der AR-Technologie ins Netz.
Mehr hierzu demnächst unter www.ar-live.com
Posted by: Daniel Jäger | Friday, 24 November 2006 at 20:17
Ich persönlich fand den Artikel "interessant" aber - wie oben schon erwähnt - oberflächlich. Er war wohl auch nicht als detaillierter Überblick über die Szene gedacht sondern eher als perspektivischer Ausblick auf das Potential der Technologie. Die nahezu ausschließliche Verwendung von Fotomaterial aus Pressemappen war schon ein bisschen merkwürdig. Ich nehme einmal an, die "Recherche" bestand aus Literaturstudium und einigen Telefonaten.
Andererseits: Augmented Reality ist als Konzept ausserhalb von sehr spezialisierten Fachkreisen noch so neu, dass ein Artikel wie dieser für Viele sicherlich trotzdem erhellend war.
Und ich freue mich schon on die "echte Online-Shopping Demonstration mit Hilfe der AR-Technologie" und hoffe, dass sie nicht nur für den Internet-Explorer verfügbar sein wird.
Posted by: Markus Breuer (Pham Neutra) | Saturday, 25 November 2006 at 12:11