Wer dieser Tage die virtuelle Welt Second Life aufsucht, wird bei den alt eingesessenen Bürgern auf viel Unmut stoßen. Second Life's großer Erfolg ist für diese einerseits ein Grund zur Freude (als early adopter). Andererseits bringt er eine Menge Probleme mit sich.
Mehr als 12,000 Neuanmeldungen jeden Tag und das Wachstum der gleichzeitig anwesenden Nutzer um 50% in kürzester Zeit stellen die Infrastruktur vor große Probleme, nicht nur die technische Infrastruktur, aber auch diese. Wer sich aktuell zu den Spitzenzeiten bei Second Life einloggt, wird selbst in normalerweise hoch-performanten Regionen auffällig lange Ladezeiten und viele andere Probleme erleben. Die System-Architektur ächzt.
Was aber noch viel heftiger ist: die Support-Strukturen, die Neuankömmlingen helfen sollen, über die ersten Stunden und Tage hinweg zu kommen, werden diesem Ansturm nicht Herr. Und Second Life ist am Anfang nicht einfach. In Folge verlassen sehr viele Neu-User innerhalb von wenigen Stunden die Plattform wieder - vermutlich, um so schnell nicht wieder zu kommen. Siehe dazu auch den exzellenten Artikel von Tateru Nino.
In vielen Weblogs und Foren wird dies stark kritisiert und die Fähigkeiten des Linden-Managements grundsätzlich angezweifelt. Die Erklärung "Das sind alles Idioten" greift aber - wie üblich - ein wenig kurz. Was hier tatsächlich stattfindet, ist ein riskantes Spiel unter den Regeln der Web 2.0 Economy / Social Software Platforms.
Diese Regeln sind einfach und lassen sich überspitzt zusammenfassen: "The Winner takes it all!"
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Heute steht Linden Lab in seinem Marktsegment nahezu unangefochten da. (Ich weiß, dass viele das anders sehen, aber tatsächlich gibt es aktuell keinen ernsthaften Wettbewerber für offene, user-gestaltete virtuelle Welten da draußen.)
Mit dem ganzen Hype um Second Life mag sich das ändern. Die enormen Wachstumsraten (20% pro Monat und mehr) locken natürlich andere Interessenten an. Und - ehrlich gesagt - es ist nicht so schwer, eine "bessere" Plattform als Second Life zu bauen. Der technologische Kern von SL ist heute 5 Jahre alt und die Benutzeroberfläche ist unter Usability-Aspekten kein Meisterwerk (die Lernkurve ist steil!).
Andererseits ... Second Life ist zu 95% "user generated content"! Und die Attraktivität der Plattform für neue User basiert zu einem großen Teil auf diesem Content - wie bei YouTube, MySpace oder ... eBay. Jeder Newcomer startet in einem solchem Markt von einer extrem schlechten Ausgangsposition. "Markteintrittsbarriere" nennt man das. Diese kann man unter Umständen mit einer Marketing-Kampagne kompensieren, die das kleine, mittelständische Unternehmen Second Life (100 Mitarbeiter, 20 Mio. $ VC Kapital) einfach an die Wand klatscht. Aber auch das ist ab einer gewissen kritischen Größe nicht mehr einfach sein.
Ich schätze, dass, wenn Second Life noch ein Jahr ohne weitere, ernsthafte Konkurrenz wachsen darf, dieser Markt nahezu dicht ist. Ein Wettbewerber würde dann Milliarden investieren müssen, um auch nur die Chance für einen Erfolg zu haben.
Und genau das ist Linden Labs riskantes Spiel: Wachsen auf Teufel komm raus, auch wenn es in allen Ecken knirscht.
Wir als Anwender und Geschäftspartner dürfen gespannt sein, wie dieses Spiel ausgeht.
Für uns ist das Risiko überschaubar: Denn, sollte das Spiel für Linden Lab verloren gehen, dann nur deshalb, weil eben rechtzeitig eine bessere Plattform als Second Life auf den Markt gekommen ist. Auch keine schlechte Alternative.
Hallo Markus,
ich stimme Dir in vollem Umfang zu. Du hast ja bereits bei mir gelesen und auch kommentiert, was mein erster Eindruck war. Das System ist meines Erachtens einfach zu früh und zu unausgegoren in den großen Publikumsverkehr geworfen worden.
Mehr Tests und Hochrechnungen bezüglich der Serverressourcen wären da schon sinnvoll gewesen.
Die derzeitige Geschwindigkeit und auch die teilweise verwirrende Einsteigerhilfe (die z.B. in deutscher Sprache immer noch unvollständig ist) tragen zur Abschreckung bei.
Alles in allem muss sich noch viel tun, wenn User nicht gleich nach der Anmeldung wieder die Lust verlieren sollen.
Posted by: Farlion | Wednesday, 22 November 2006 at 10:10
Hallo Markus,
in deinem Blog hat sich ein (Programmier-)Fehler eingeschlichen. Unter Firefox 2 führt ein Klick in das Eingabefeld "Google Custom Search" immer zum Reload der kompletten Seite. Man kommt garnicht nicht dazu eine Suche auszuführen. Unter IE 7 geht es. Hier franst das Eingabefeld allerdings nach rechts hin aus.
Hatte keinen Kontakt-Link gefunden. Deshalb das Posting an dieser Stelle.
Grüße, Klaus
Posted by: Klaus Becker | Thursday, 23 November 2006 at 21:45
Hallo Markus,
ich hab mich jetzt seit 2 Wochen intensiver mit SL beschäftigt, wobei mich tatsächlich die "Business-Seite", z.B. PA-Consulting, interessiert.
Irgendwie muss ich aber sagen, dass ich trotz hoher "net-affinity" und "Cyberpunk-Anhängerschaft" irgendwie nichts bei SL finden kann. Die Technik und Grafik ist schlecht. Ich habe nie eine vernünftige und ruckelfreie Darstellung erhalten und die grossen Firmenpräsenzen sind eigentlich sehr statisch und leblos - eigentlich enttäuschend.
Klar - sicherlich gibt es Hotspots, wo viele User sind, das sind aber wie immer wieder die mit dem Ranking "Mature". Letztlich reduziert es sich im Moment wieder auf das weit verbreitete Geschäftsmodell des Internets "Sex sells".
Ich denke, SL ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber die Technik von SL wird es wahrscheinlich nicht mehr lange machen - da könnte Blizzard etwas deutlich Besseres auf den Markt werfen - allerdings reicht denen der Erfolg von "World of Warcraft" - da sind deutlich mehr User angemeldet, die alle jedes Monat zahlen - wäre mal ein interessanter Vergleich.
BTW: Ich würde das VR-Netz schon fast als Web 4.0 bezeichnen.
PS: In der Bücherliste fehlt noch "Otherland" von Tad Williams - der liegt mit seiner Interpretation des VR am Nähesten an SL.
Posted by: Mike Rohrmueller | Tuesday, 28 November 2006 at 00:47
Hallo Klaus,
Die Business Seite von SL lässt sich mMn sehr sehr einfach beschreiben:
1. User Generated Content ist möglich!
2. Es gibt eine echte Marktwirtschaft!
Mit diesen beiden Punkten hebelt SL mangels Wettbewerber (leider!!!) den Nachteil der schlechten Grafik und Performance komplett aus.
Wenn du also "nichts" bei SL finden kannst, solltest Du dir über diese beiden Punkte noch einmal Gedanken machen. Hier ist eine Menge Musik drin und die momentan vielleicht noch nicht so originell umgesetzten Unternehmensrepräsentanzen (z.B. Adidas) müssen nicht bedeuten,dass es nicht auch anders gehen könnte. :)
Im übrigen sehe ich den Indikator "Sex Sells" als sehr spannenden an, denn die Erotik-Branche ist auch hier vielleicht nicht zum ersten mal Trendsetter und Pionier in einem "Zukunftmarkt".
Posted by: Rene | Monday, 04 December 2006 at 12:59
Hallo Markus und Klaus,
schreibe derzeit eine Studienarbeit über SL und bräuchte dafür dringend ein paar wirtschaftliche Kennzahlen über Linden Lab. Leider habe ich auch nach intensiver Suche im Web nichts finden können. Habt Ihr evtl. einen Tipp, wo ich mehr Glück haben könnte?!
Danke und viele Grüße
Jan
Posted by: jan1142 | Sunday, 07 January 2007 at 16:58
Hallo Jan, ich schreibe auch gerade an einer Arbeit über SL. Mir geht es wie Dir, ich kann auch nichts an Unternehmenzahlen finden (z. B. tatsächlicher Wert des Unternehmens, nicht virtuell). Falls Du dazu noch was findest, wäre es klasse, wenn Du Bescheid sagen würdest.
Gruss und Danke
Chris
Posted by: Chris | Thursday, 01 March 2007 at 13:04