Das Management der Betreiberfirma hinter der virtuellen Online-Welt Second Life, Linden Lab, hat immer wieder betont, dass es ihnen nicht darum geht, ein Online-Spiel zu erstellen und zu betreiben, sondern eine Plattform zu erschaffen, die über kurz oder lang das Internet ergänzen wird, das Web 3.D. Hauptkritikpunkt an diesem Anspruch war in der Vergangenheit immer gewesen, dass es sich bei Second Life um eine proprietäre Plattform handelt, abhängig von einer einzigen Herstellerfirma und deren Wohl und Wehe - und damit ungeeignet als Grundlage für ein weltumspannendes Netz ähnlich dem Worldwide Web.
Zumindest dieser Kritikpunkt (es gibt andere) ist nun gegenstandslos:
ab heute ist der Source-Code für den Second-Life Client (entsprechend einem Browser) Open Source entsprechend der GNU GPL version 2.
Zusammen mit dem Reverse-Engineering-Projekt libsecondlife und der ebenfalls versprochenen Lizensierung der Second-Life Server-Architektur könnte das der endgültige Durchbruch für Second Life werden. In Kürze werden sich Hunderte von Entwicklern damit beschäftigen, das Produkt zu verbessern und letztendlich auch sicherer und stabiler zu machen. Drittfirmen erhalten die Chance, die Benutzeroberfläche des immer wieder (und zu Recht) kritisierten Clients zu verbessern. Über spezielle Client-Varianten wird es möglich sein, Avatare in Second Life fernzusteuern (sogenannte NPCs zu schaffen, wie der Fachmann sagt) und und und.
Zitat aus dem offiziellen Announcement:
A lot of the Second Life development work currently in progress is focused on building the Second Life Grid — a vision of a globally interconnected grid with clients and servers published and managed by different groups.
Es ist schwer zu sagen, welche Auswirkungen das kurzfristig auf die Akzeptanz von Second Life haben wird. Mittelfristig halte ich das für einen extrem klugen Schachzug - und einen konsequenten nächsten Schritt für eine Plattform, die schon heute darauf basiert, dass 95% allen genutzen Contents von den Anwendern erstellt und vermarktet werden und nicht von der Herstellerfirma.
Technorati Tags: second life, virtual worlds, web 3.d
Ich frage mich, was das für Auswirkungen auf die Nutzbarkeit hat. Schon jetzt schein das Grid teilweise überlastet zu sein. Wenn dann ein neuer Schwung an aktiven Nutzern dazu kommt sehe ich die Gefahr, dass die Euphorie schnell unter dem Frust einbricht...
Posted by: ridcully | Monday, 08 January 2007 at 15:22
Tja - aber erst wenn Server und Protokoll auch offen lizensiert sind *und* ebensolches ein Standard ist (W3C oder whatever).
Bis jetzt will sich Lindenlab IMHO einfach nur a) nette PR und b) vielleicht wirklich den einen oder anderen Fix / Weiterentwicklung für den Browser (=Client) aus der Community holen. (Und die Sourcen sind alles andere als übersichtlich...)
Btw, das ist der aktuelle Client - keine Entwicklerversion. Also auch nix von wegen "neuem Rendering" oder so enthalten... Schade.
Thomas.
Posted by: Thomas Schulze | Monday, 08 January 2007 at 19:18
Nörgler! ;)
Das Protokoll wird gerade reverse-engineered (mit Unterstützung von Linden Lab). Es gibt sogar schon erste Anwendungen, die aufgrund der Erkenntnisse aus diesem Projekt laufen.
Und die Lizensierung oder Open-Source-Stellung für die Server wird im selben Beitrag zugesagt.
Und etwas anderes als den aktuellen Client zu publizieren erscheint mir persönlich wenig sinnvoll. Server und Client sind immer noch hochgradig gekoppelt. Was will ich mit einem Client, der nicht zur aktuellen Server-Version passt?
Hauptproblem dieser Geste (und das ist es AUCH) dürfte sein, dass die aktuellen Sourcen vermutlich nicht wirklich für eine Open-Source-Projekt geeignet sind. Na und? Wäre es besser gewesen, diesen Schritt nicht zu machen?
Erstmal abwarten. In 6 Monaten wissen wir mehr!
Posted by: Markus Breuer (Pham Neutra) | Monday, 08 January 2007 at 19:55
ich wollte ja nur (deine|die) begeisterung etwas dämpfen. ist eben ein klasse pr-coup.
ergebnisse für den browser erwarte ich (substantiell) eher in einem jahr - frühestens.
(weißt du noch wie viel zeit zwischen freigabe der sourcen und release von mozilla 1.0 (! nicht firefox !) gelegen hat?)
thomas.
Posted by: Thomas Schulze | Monday, 08 January 2007 at 21:36
Und ein Nachtrag:
Die Lizensierung für die Server ist mit einem "eventually" versehen...
Nachvollziehbar. LL läuft auf dem Drahtseil, denn ihr Business-Modell hängt anscheinden wirklich vom Beherrschen der Server ab... Schwierig schwierig.
Thomas.
Posted by: Thomas Schulze | Monday, 08 January 2007 at 21:38
@Thomas: "Eventually" wird nicht mit dem deutschen "vielleicht" übersetzt, sondern mit "schließlich" (siehe http://en.wiktionary.org/wiki/eventually)
@Markus & Thomas: Das Protokoll ist anscheinend schon eine Weile veröffentlicht. https://wiki.secondlife.com/wiki/Protocol sieht doch ganz nett aus, oder? Außerdem ist mit einem offenen Viewer das Protokoll nachvollziehbar geworden.
Posted by: Stef Wade | Monday, 22 January 2007 at 12:42
@Stef: Danke für den Hinweis. War mir schon bewusst/bekannt - und Basis meiner Meinung.
Das "schließlich" ist eine sehr offene Formulierung - und kann alles mögliche bedeuten. Es klingt aber nicht nach "bald" oder "morgen" oder "in naher Zukunft".
Und das ist ja (siehe oben) auch nachvollziehbar aus LLs Sicht - neben dem Ideal, das 3d.Web zu bauen, muss LL ja nun mal auch einen Business-Plan erfüllen und eine steigende Anzahl Mitarbeiter bezahlen. Und das geht aktuell nur über die Kontrolle des Protokolls und der Server.
Es braucht ein Standardisierungsgremium, welches sich des Protokolls annimmt. Sobald - oder besser "falls" - es dazu kommt kann LL den Server öffnen ohne sich selbst den finanziellen Boden wegzuziehen. Denn ab dann ist das ein Standard, zu dem LL halt zufällig den "Applikationsserver" liefert. Mit Support und allem drum und dran für kommerzielle Lizenznehmer - und ohne Support für die Community als Open-Source.
Ich bin gar nicht so schrecklich pessimistisch - das wird sicher in der einen oder anderen Form passieren. Vielleicht sogar mit SL und nicht mit einem Konkurrenz-Produkt.
Posted by: Thomas Schulze | Friday, 26 January 2007 at 14:17