"No acting required" pflegte Robert Mitchum in seinen späten Karrierejahren an Drehbücher zu schreiben, in denen er einfach nur Robert Mitchum sein brauchte: ein cooler, schlecht gelaunter knorriger alter Mann im Trenchcoat.
"No acting required" könnte man auch an die Rolle "Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie" schreiben. Im Grund könnte man die auch von einem ferngesteuerten Avatar (einem sogenannten non-player-character = NPC) in einem 3D-Rollenspiel spielen lassen. Grauer Anzug, weißes Hemd, seriöse Krawatte, ernsthafter besorgter Blick und ein paar Zeilen Scripting-Code.
Der Inhaber dieser Rolle (aktuell Jürgen Thumann) hat eigentlich nicht mehr zu tun, als immer, wenn irgendetwas diskutiert wird, das die kurzfristigen Renditeziele der DAX-Unternehmen gefährdet, "besorgt" die Stimme zu heben und "Arbeitsplätze in Gefahr" zu sagen. Um der Sache zusätzliches Gewicht zu geben, kann man dann noch vor "deutschen Alleingängen" oder ersatzweise "europäischen Alleingängen" warnen. OK, das ist schon eine Sprechrolle, aber eine ziemlich langweilige.
Ich hoffe, es geht dem Manne nicht zu sehr auf die Selbstachtung, wenn er solche öden Drehbücher (wie jetzt wieder anläßlich der Klimaschutzdebatte) abspulen muss:
Wir müssen einen globalen Ansatz finden, um dem Klimaschutz gerecht zu werden. Es kann nicht sein, dass wir Europäer immer voran schreiten mit gutem Vorbild, und jetzt sogar noch eine Vorreiterrolle innerhalb Europas von den Deutschen erwartet wird. Wir bringen damit unsere Wirtschaft, unsere Arbeitsplätze in Gefahr.
Beileid, Herr Thumann. Wir drücken Ihnen die Daumen, dass sie bald wieder eine richtige Rolle bekommen.
Peinlich, dass sich immer wieder gerade die deutsche Industrie mit solchen Plattheiten hervortut; besonders auffällig in der Auto-Industrie. Wir erinnern uns: Katalysatoren und bleifreies Benzin? Der Untergang der Deutschen Automobil-Industrie. Arbeitsplätze sind bedroht! Rußfilter? Der Untergang der Deutschen Automobil-Industrie. Arbeitsplätze sind bedroht! Die internationalen Automobilhersteller handelten unterdessen, brachten neue Technologien auf den Markt und machen Marktanteile gut. Sitzen da etwa noch Unternehmer am Ruder, die selber denken?
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Diese "Wirtschaftsführer" werden es erst kapieren, wenn nur noch Produkte und Dienstleistungen von Firmen gekauft werden, die sich tatsächlich für Umweltschutz engagieren und auch entsprechend produzieren. Das müssen wir Käufer endlich mal begreifen!
Posted by: nennett | Sunday, 11 February 2007 at 14:47
So leid es mir tut ... DARAUF zu warten, scheint mir ein wenig illusorisch zu sein. Tatsächlich verkaufen alle diese Unternehmen letztendlich das, was die Kundschaft möchte. Und die legt zum Beispiel seit Jahren deutlich mehr Wert darauf, dass Autos groß, dick, schwer, übermotorisiert und möglichst billig sind, als, dass sie einen mit einem Minimum an Kraftstoffverbrauch von A nach B bringen.
Mit der Klimakatastrophe ist es wie mit dem Lungenkrebs: solange sie nicht eindeutig SPÜRT, dass jede einzelne Zigarette eine schmerzhafte Metastase bei Ihnen selbst verursacht, wird die Mehrheit unserer Mitmenschen keinen Anlass sehen, mit dem Paffen auzuhören. (Hohe Kosten verursachen übrigens vergleichbare Schmerzen...)
Posted by: Markus Breuer | Sunday, 11 February 2007 at 15:33
sind doch nur mal wieder ein paar Schumpeter Lektionen.
Kreative Zerstörung.
Am Markt für biologisch angebaute (oder so verkaufte) Lebensmittel läßt sich gerade beobachten wie schnell und drastisch sich das Verbraucherinteresse wenden kann.
Die Nachfrage geht an der Masse der verblüfften Bauern vorbei, die Erinnerung an die irreführenden Parolen ihrer konservativen Interessenvertreter bringt wenig Entschädigung.
Der tolle Herr Thurmann wird wohl auch schon lange vergessen sein, wenn der Markt für ökologischere Systeme an der deutschen Industrie vorbei zieht.
Posted by: RL | Sunday, 11 February 2007 at 17:36
Was schlagt Ihr dann vor?
Posted by: nennett | Sunday, 11 February 2007 at 17:47
Was tun? Simpel: CO2-Ausstoß teuer machen. Richtig teuer. Eine (mehr oder weniger "freie") Marktwirtschaft reagiert am Ende nur auf monetäre Impulse. Wird eine Resource teuer, finden Unternehmen (und deren Ingenieure) IMMER eine Lösung, sparsamer mit ihr umzugehen und Konsumenten ändern ihr Kauf- und Investitionsverhalten.
Kostendruck führt zu Innovationsdruck und dieser zu ressourcenparenden Lösungen. Letztere sind auch am Weltmarkt über kurz oder lang konkurrenzfähiger und würden der deutschen Industrie einen WettbewerbsVORTEIL verschaffen - keinen NACHTEIL. Das zeigen alle Beispiele der Vergangenheit. Das Bemühen um umweltverträglichere Lösungen strahlt zudem positiv auf das Markenimage aus. Siehe das Beispiel Toyota. Toyota verkauft nur einen verschwindend geringen Teil an Hybridfahrzeugen. Trotzdem hat das Unternehmen ein deutlich umweltfreundlicheres Image als die deutschen Raser-Marken oder die US-amerikanischen Straßenpanzer-Bauer.
"Umweltfreundlicher" ist übrigens ein irreführender Begriff. Der "Umwelt" ist es egal, wieviel CO2 in der Atmosphäre ist. Sie hat kein Bewußsein. Die Umwelt wird eben nur "anders" aussehen in ein paar Jahren - unwirtlicher für uns Menschen. Was wir eigentlich meinen, wenn wir "umweltfreundlich" sagen ist "menschheitsfreundlich". :)
Posted by: Markus Breuer | Sunday, 11 February 2007 at 19:05
externe Kosten in interne Kosten wandeln.
Wenn man den Markt für das optimale Steuerungsinstrument von Wirtschaft akzeptiert sollte man ihn auch konsequent nutzen.
Wer Umwelt "verbraucht" muß auch wirtschaftlich mit den Folgen belastet werden.
Vorteil:
Diese ökonomische Sprache verstehen auch Marktteilnehmer mit 0 Interesse an Zukunft sehr schnell.
Posted by: RL | Sunday, 11 February 2007 at 20:06
besonders ärgerlich an Darstellern vom Typ Thumann ist die nachhaltige Beschädigung von Begriffen wie Vernunft, Ökonomie usw.
Gruppeninteressen werden als Gemeinwohl verkauft bis die Zuhörerschaft sich enttäuscht mal wieder nach neuen Ideologien mit garantierten Heilsversprechen umsieht.
Posted by: RL | Sunday, 11 February 2007 at 20:13
Nur, das Problem ist nach wie vor: Wie internalisiert man externe Kosten? Auch CO2-Steuer oder Verschmutzungsrechte funktionieren doch in der Praxis nicht wirklich.
Posted by: nennett | Sunday, 11 February 2007 at 23:44
> funktionieren doch in der Praxis nicht wirklich.
Hmmm .. Wieso?
Handel (gerade über Börsen) mit knappen Ressourcen funktioniert wunderbar. Es gibt Dutzende, wenn nicht Hunderte solcher Börsen auf der Welt, für Edelmetalle, Öl, Strom, etc. etc. Sie funktionieren nur dann nicht, wenn - wie beim Handel mit CO2-Zertifikaten - Regierungen versuchen, die "heimische" Industrie trickreich zu schützen - wie in Deutschland und einigen anderen Ländern. Dieser "Schutz" geht langfristig eh' nach hinten los: geschützte Industrien werden im Laufe der Zeit immer ineffizienter und wettbewerbsschwächer als unge-"schütze". Da ist wie bei allzu behüteten Kindern.
Auch die Steuerung des Verbraucherverhaltens über Abgaben ist überhaupt kein Problem und hat in der Vergangenheit diverse Male prachtvoll funktioniert - gerade im Umfeld des Automobils: Erhöhte Abgaben auf Autos ohne Katalysator oder hohe Steuern auf Kraftstoff sind wunderbar effiziente Instrumente für Verhaltens- und Bewußtseinsänderungen.
Posted by: Markus Breuer (Pham Neutra) | Monday, 12 February 2007 at 08:35