Nachdem sich die Publikumspresse ja schon sehr ausführlich mit Second Life beschäftigt hat, folgt nun auch die Wirtschaftspresse: Auch auf dem Titelblatt der neuen Ausgabe der Capital prangt Second Life - besser gesagt Philip Linden (alias Rosedale), Gründer und CEO von Linden Lab, der Betreiberfirma von Second Life.
Na, da muß ich mir doch mal zügig eine Capital am Kiosk holen. Bin gespannt, ob die Kollegen von der Wirtschaftspresse das ganze unter einem anderen Blickwinkel sehen. Aktuell stehen auch schon einige Artikel online. Vor allem Interviews. Ob die Print-Ausgabe mehr enthält, weiß ich (noch) nicht.
Am Rande bemerkt: Philip Rosedales Avatar sieht viel cooler aus, als die Replik auf dem Cover.
Wow! Von der Capital hätte ich das jetzt nicht ganz erwartet... Vielleicht sollten die auch das neue chinesische Gegenstück erwähnen... Das sieht nämlich ziemlich gut aus.
Posted by: Oliver | Thursday, 01 March 2007 at 16:30
Zitat aus dem Online-Artikel über Philip Rosdale
"Für neue Inseln gab es zwischenzeitlich eine Wartezeit von zwei Wochen - obgleich sie mit einer monatlichen Grundgebühr von 1.675 Dollar und zusätzlichen Wartungskosten von 295 Dollar zu Buche schlagen."
Also das wird meine Kalkulation dann doch etwas beeinflussen ;-). Bei so einer Fachzeitschrift hätte ich gerade bei so wichtigen Eckpunkten etwas mehr sorgfalt erwartet!
Posted by: Michael Wald | Thursday, 01 March 2007 at 20:44
Wenn das Second Life-Consulting von Elephant Seven so aussieht wie die wortreichen Vernebelungen von Markus Breuer, dann ist es keinen Pfifferling wert.
Beschreiben wir doch mal einen ganz normalen Event: Mercedes Benz präsentiert feierlich eine neue Produktlinie in SL. Zuerst braucht die Marke dazu natürlich ein Stück Land auf dem SL-Grid. Kein Problem. Flugs kauft der Konzern für 1100 EUR eine ganze Insel z.B. bei der Firma Otherland, die auf SL Ländereien für ca. 70.000 EUR hält. Sie tut das ohne Anbieterkennzeichnung, Impressum, Ust-ID. Es gibt weder eine ladungsfähige Anschrift noch eine Telefonnummer. Die AGB umfassen eine halbe A4-Seite. Der Verkauf wird angebahnt, indem man die deutsch sprechenden Avatare im Spiel kontaktiert. Bezahlt wird per Mausklick über das Micropayment-System PayPal. Das Geld ist ECHT. Den täglichen Umtauschkurs zur virtuellen Währung Linden Dollar (L$) bestimmt Linden Labs mit der virtuellen Druckpresse. Eine „Börsenaufsicht“, makro-ökonomische Steuerung oder ähnliches gibt es nicht. Ebenso behält sich Linden Labs vor, das Geld einfach einzubehalten, falls jemand versucht, seine im Spiel verdienten L$ wieder in echter Währung aus dem Spiel abzuziehen. Sobald der Betrag höher ist als einige hundert EUR, schnellt der Umtauschkurs in schwindelnde Höhen.
Der grosse Tag naht. Wie Markus Breuer in seinen 10 Regeln schon richtig angemerkt hat, bringt es nichts, nur einfach ein Gebäude und Produkte ins Grid zu stellen, man braucht auch Avatare, die rund um die Uhr die Autos in der Simulation anpreisen und erklären. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung entschliessen sich Konzernvorstand und Aufsichtsrat, beim Event selbst anwesend zu sein. Sehr lustig, wie Markus Breuer in der Stuttgarter Konzernzentrale Dieter Zetsche, Hilmar Kopper und Mark Wössner dabei assistiert, ihre Avatare zu designen. Kein protziges Script, keine Bodybuilder-Skin wird von den eitlen Managern ausgelassen. Nur mit dem Gehen hapert es noch. Avatar Zetsche bumpt dauernd mit vollem Körpereinsatz in den MB-Markenvorstand Thomas Weber, der dabei quer durch den halben Showroom fliegt. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was kommt. Das Rezzen hat 4 produktive Stunden gekostet. Gackernde Manager vor dem Bildschirm. Nur die Vorstandssekretärin bewahrt noch Haltung.
Der Showroom füllt sich, DJs legen fetzige Musik auf. Irritiert sehen sich die MB-Avatare um. Schon seltsam, dass die eine Hälfte der Besucher vollkommen gleich aussieht: rotbraune Haare, weisses T-Shirt, Jeans und Badeschlappen (Anmeldedatum vom gleichen Tag) und die andere Hälfte wie Zuhälter aus dem T*****puff. Aber die weiblichen Avatare – oho! Eine sexier als die andere. Unter den kurzen Röcken werden bei jedem Luftzug Körperteile sichtbar, die sicher nicht auf Orientation Island verkauft werden. Seltsam auch, dass die alle am Schreiben sind, wo man doch gar nix „hört“. Hmmm... die ganzen neu angemeldeten Avatare scheinen irgendwie abgelenkt. Aber es kann ja nichts passieren. Mercedes Benz Island ist schliesslich PG (jugendfrei). Prostituierte dürfen hier ihren Beruf nicht über dem Namen einblenden. Seltsam aber, dass eine nach der anderen zeitgleich mit einem Zuschauer aus dem Showroom verschwindet. Auch die anderen scheinen nicht so recht bei der Sache. Freundlich wandern die Pädophilen durch die Menge wie durch jeden Chat: „Na, wie alt bist Du denn?“ Zum Teil sind sie als weibliche Avatare getarnt.
Weil mehr als 40 Avatare mit hunderten von nutzlosen Scripten im Gepäck anwesend sind, wird jetzt alles sehr langsam. Die DJs produzieren nur noch Kakophonie, die ersten Besucher, die entsetzt erkannt haben, wofür Mercedes Benz hier den Rahmen zur Verfügung stellt, treten beim Versuch, den Ort zu verlassen, mit hektischen Bewegungen auf der Stelle. Nicht dass Mercedes blauäugig gewesen wäre. Der ganze Sindelfinger Werksschutz sitzt vor dem Computer, um den Event zu schützen: Behäbige Mittfünfziger, die alles können ausser Hochdeutsch, Englisch und Mausklick. Aber dafür haben sie ja Berater wie Markus Breuer.
Mitten in die feierliche Rede von Avatar Zetsche platzt eine Horde Nazi-Hooligans (Nationale Player Deutschlands) mit Schlagstöcken und Maschinengewehren. Lautstark grölen sie ihre Heil Hitler-Parolen, schlagen und ballern in die Menge. Der Werksschutz kann die Kerle gar nicht so schnell bannen wie sie nachwachsen. Sie werden von zwei in feine Anzüge gekleideten Avataren dirigiert, die besonders auffallen: Peter HartzIV (Member of Arbeitsamt) und Klaus Volkert, der sich als Lustreisen V.I.P. zu erkennen gibt. Die Hooligans fangen jetzt auch noch an, mit Käfigen zu schmeissen. Innerhalb von Sekunden ist jeder Besucher-Avatar bewegungsunfähig eingesperrt. Nur die MB-Avatare hatten vorher für echtes Geld einen Schutzschild gekauft. Zu allem Überfluss hat Avatar Hilmar Kopper ausgerechnet jetzt herausgefunden, wie das Xcite-Script funktioniert, dass ihm einer der Zuhälter eben geschenkt hat. Zuckend und mit hoch aufgerichtetem Schwengel fällt er über die Vorstandssekretärin her und wälzt sich mit ihr zwischen den Käfigen. Die Mercedes-Kunden starren mit entsetzten Gesichtern durch die Gitterstäbe auf die Szene. Für sie hat sich die Sache mit Second Life erledigt, einen Mercedes werden sie nicht mehr kaufen. Hektisch telefoniert sich RL (Real Life)-Zetsche in der Stuttgarter Konzernzentrale die Finger wund, um Linden Labs-Gründer Philip Rosedale an die Strippe zu bekommen und den Spuk auf dem kleinen Dienstweg zu beenden. Den interessiert das herzlich wenig. „Wtf is Zetsche? This is America, baby.” Genauso ergeht es dem Real Life-Peter Hartz, als er in Kalifornien durchsetzen will, dass „sein“ Avatar gelöscht wird. Der Event auf Mercedes Benz Island endet in apokalyptischem Durcheinander.
Niemand hat auf die Prostituierte Anshe Chung geachtet, die scheinbar teilnahmslos am Rand stand. Zwanzig Minuten nach dem Ende des Events taucht sie als „Owner Mercedes Benz“ auf der Nachbarinsel wieder auf. Der gesamte Showroom, die Teststrecke, die Autos, die Musik: Alles wurde durch ein kleines Programm namens Copybot, das aus dem Umfeld der SL-Gründer stammt, auf die Nachbarinsel kopiert. Überall zwischen den Autos stehen jetzt Casino-Automaten. Die Modelle der C-Klasse werden für 10 L$/Stück verkauft. Mit entrücktem Blick sitzen die neu angemeldeten Avatare an den Pokertischen und hauen ihre Sozialhilfe auf den Kopf. Alles so schön friedlich hier. Nur blöd, dass, während der Werksschutz vor den Bildschirmen beschäftigt war, die RL-Belegschaft das halbe Werk in Sindelfingen ausgeräumt hat.
Posted by: Stefan Renzke | Monday, 05 March 2007 at 17:34