... Podcasts nicht das Bloggen ersetzen werden und Video-Podcasts nicht "besser" sind als Podcasts oder Weblogs. Auch auf lange Zeit werden im Web vorwiegend geschriebene Texte produziert und konsumiert werden und nicht Tonaufzeichnungen oder gar Video.
Ich habe mich lange immer wieder einmal gefragt, warum ich selbst kein großer Konsument von Podcasts bin, obwohl sie doch eigentlich so praktisch sind: zwei, drei Mausklicks und regelmäßig saugt ITunes interessante Wortbeiträge auf meine Festplatte und synched sie vollautomatisch mit meinem iPod. Klingt sexy und ist sexy. Und ich würde das auch noch viel mehr machen, wenn ich mehr joggen oder autofahren würde. Da ich vorwiegend mit der Bahn fahre und total unsportlich bin, bringt mir das aber nichts. Denn, wenn ich meine Augen auf den Bildschirm meines Notebooks richten kann, gibt es weitaus effizientere Methoden der Informationsaufnahme: Lesen zum, Beispiel.
Ähnliches gilt für Telefonate und Emails. Viele Leute wundern sich, wenn ich Telefonversuche freundlich aber bestimmt abwiegle und sie bitte, mir doch schnell eine kleine Email zu schicken. Ist nicht unhöflich gemeint. Das Problem ist: Telefonate sind (für viele Zwecke, für die sie verwendet werden) furchtbar ineffizient. Genau wie Podcasts. Gesprochene Kommunikation ist bequem für den Sender - man muss halt nicht tippen. Aber sie sind eine Last für den Empfänger.
Podcasts verlangen viel mehr Fokussierung der Aufmerksamkeit. (Und Video-Podcasts noch mehr.) Zudem schätze ich, dass ich Informationen ungefähr zehnmal schneller lesend aufnehmen kann als hörend. In der Zeit, in der ich ein Audio-Interview gehört habe, kann ich 10 Interview-Transkripte querlesen und mir die Passagen, die mich wirklich interessieren intensiv vornehmen. Ich kann Texte einfach kopieren, editieren, durchsuchen, zitieren etc. etc. Selbiges gilt analog für E-Mails, Telefonanrufe (oder Voicebox-Aufzeichnungen).
Was nicht heißt, das Podcasts überflüssig sind. Für Leute, die viel Auto oder Bus fahren, joggen oder im Fitness-Studio geräteturnen, halte ich sie für praktisch. Genauso wie ich auch das Telefon immer noch für praktisch halte, und manche Dinge lieber am Telefon bespreche als im E-Mail-Austausch. Zu jedem Zweck und Anlass muss die optimale Kommunikationsform gewählt werden!
Zu diesen Gedanken angeregt hat mich die aktuelle Diskussion um die Einführung von Voice-Chat in meiner bevorzugten 3D-Welt Second Life. (Siehe insbesondere den exzellenten, wenn auch langatmigen, Artikel von Gwyneth Llewelyn hier). Viele Anwender sehnen Voice Chat geradezu herbei, um der Notwendigkeit des Tippens zu entkommen. Andere ärgern sich, dass es nun schwieriger wird, mit Menschen in anderen Sprachen zu kommunizieren oder eine "Rolle" zu spielen, die deutlich von der physischen Realität abweicht. Und nahezu alle erwarten, dass Sprache in Kürze das dominante Kommunikationsmittel sein wird.
Ich habe da Zweifel - aus den oben genannten Gründen. Sprache als zusätzliche Wahlmöglichkeit ist fein. Sie wird aber die alten Kommunikationsformen (Text-)Chat und Instant Message bei weitem nicht so schnell und umfassend verdrängen, wie sich das einige Voice-Fans heute vorstellen.
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Das ganze hat auch noch einen anderen Nachteil. So lange ich in einem Raum alleine bin, ist die gesprochene Sprache angenehm. Sitzte ich jedoch in einem größeren Büro, wird die Kommunikation ebenfalls schwieriger. Zwar kann man hier ein Headset nutzten, dann ist aber die Kommunikation auf den PC beschränkt. Ein Gespräch innerhalb des Büros ist nicht mehr möglich. Ich habe das ständige Aufsetzen und Abnehmen des Headsets für das VoIP Telefon jedenfalls im Betrieb gehasst...
Posted by: ridcully | Thursday, 19 April 2007 at 14:03
...ein klasse Text. Texte können Emotionen aber eben nur unzureichend übertragen. Wenn Texte Emotionen und Reaktionen übertragen, wird es zu viel Text, den dann aber wieder keiner liest. Gesprochene Sprache sit und bleibt das unmittelbarere Medium, wie ich finde?
Posted by: Fabian | Thursday, 19 April 2007 at 14:25
Ich stimme zu, dass oftmals eine eMail besser ist als ein Telefongespräch. Der Grund hierfür ist m.E. aber nicht das Medium sondern die Strukturierung der Information - gewöhnlich sind eMails besser strukturiert als ein Anruf (Anmerkung: schon mal von SCQA = Situation/Complication/Question/Answer gehört).
Aber auch verbale Kommunikation kann sehr gut strukturiert sein. Wenn das der Fall ist, bin ich ein großer Freund von Podcasts und Audio-Chats.
Weitere Gründe für verbale Kommunikation sind m.E. die gleichzeitige Wahrnehmung von verbalen und visuellen Informationen, sprich Sprache und bewegte Bilder lassen sich nunmal sehr viel besser gemeinsam aufnehmen als Text und Bilder. Insofern passt Audio ganz hervorragend zu den 3-Dimensionalen virtuellen Welten.
Vergleichen wir doch mal Life-Chats in Text- und Audio-Form miteinander. Insbesondere wenn große Gruppen miteinander kommunizieren entstehen parallele Diskussionen. Parallel Diskussionsstränge bei einem Text-Chat auseinander zu halten fällt mir - Lebensalter knapp 40 - schwer.
Bei der für SL angekündigten Audio-Chat-Variante soll es möglich sein gleichzeitig stattfindende Diskussionen durch "räumliches" Hören auseinander halten zu können. Ich vermute, dass wir in Second Life ein ähnlich Verhalten wie in der realen Welt beobachten werden - Kleingruppen werden sich in räumlicher Nähe zueinander aufstellen, sich sozusagen absetzen. Insofern wird die Einführung von Audio-Chat in SL auch zu einer Verhaltensänderung führen, die uns der realen Welt ein Stück näher bring.
Fazit: Ich bevorzuge die verbale Kommunikation für lebhafte Diskussionen, bei Podcasts aber nur wenn die Information gut strukturiert ist.
P.S. Wir arbeiten aktuell mit Kunden an neuen Nutzungskonzepten für Second Life, die durch die Einführung des Audio-Systems ermöglicht werden - hier tun sich spannende Dinge auf!
Posted by: Mike Hummel | Thursday, 19 April 2007 at 16:08
Seufz.
Das - die vehemente Verteidigung des gesprochenen Wortes - hatte ich berfürchtet, als ich das hier geschrieben habe. :)
Nein, ich habe nicht gesagt (bzw. geschrieben!) "Podcasts sind doof!" oder "Emails sind besser als Telefonate". Sondern lediglich (sinngemäß): das geschriebene Wort hat oft Vorteile, auch, wenn insbesondere die Produktion gesprochener Worte zunächst bequemer ist.
Ja, und auch ich freue mich auf die zusätzliche Möglichkeit von Voice-Chat in Second Life. Manches wird einfacher dadurch werden. Für andere Zwecke ist aber eben (innerhalb und ausserhalb von Second Life) das geschriebene Wort überlegen. Die von ridcully beschiebene Büro-Situation ist ein Beispiel. Die Nutzungsgeschwindigkeit für mich oft ein anderes: ich kann aktuell ganz gut den Überblick über 100 News Feeds behalten. Das geht mit Querlesen (selbst in schlecht strukturierten Texten kann ich die relevante Substanz viel schneller lesend finden als zuhörend ...) Die selbe Informationsmenge hörend zu browsen wäre unmöglich.
Das Beispiel mit den parallelen Diskussionssträngen ist ebenfalls ein zweischneidiges. Mit meinen 46 Jahren bin ich auch mit einer anderen Kommunikationsetikette aufgewachsen. Tatsächlich habe ich mich in den letzten Jahren aber daran gewöhnt, manchmal 2 - 3 Dialoge parallel in Email und IM zu führen. Das kommt natürlich auf das Thema, die Intensität und die Gesprächspartner an. Aber in manchen Konstellationen ist das sehr praktisch - und wäre unmöglich, wenn das alles geprochen werden müsste.
Nochmals: ich bin kein Mensch, der das Sprechen abschaffen möchte. Man darf nur nicht (manchmal einseitige) Bequemlichkeit mit Effizienz verwechseln. Natürlich kann ich mit gesprochener Sprache manches einfacher transportieren als in geschriebenen Form - Emotion zum Beispiel. Nur, ehrlich gesagt, lege ich bei einem Großteil der Informationen, die ich täglich in geschriebener Form aufnehmen muss, gar keinen Wert auf Emotion.
Schreiben ist nicht besser als reden. Reden nicht besser als schreiben. Beide Kommunikationsformen sind ANDERS; und damit für unterschiedliche Situationen optimal.
Posted by: Markus Breuer (Pham Neutra) | Thursday, 19 April 2007 at 19:19
Ich wage einfach einmal zu widersprechen, dass Podcasts nur aus Bequemlichkeit ("um dem Tippen zu entgehen") publiziert werden.
Genau genommen glaube ich sogar, dass bei (gut gemachten) Podcasts mindestens ebensoviel getippt wird wie bei "normalen" Blogeinträgen. Das bekommt der User nur nicht zu sehen. Man vergleiche nur den Papierverbrauch einer herkömmlichen Radioredaktion. Der kann sich redaktionsintern sicher mit der ein oder anderen Zeitung messen.
Abgesehen davon stimme ich Dir natürlich zu, dass Podcasts bei weitem nicht das beste Medium sind, um reine Informationen zu transportieren.
Posted by: Franz | Thursday, 19 April 2007 at 19:21
Ich stimme dem letzten Kommentar von Franz zu. Ich betreibe ein eigenes Blog ( http://zoll-kommunikation.com/blog ) und produziere für einen Kunden den Intercultural Navigator Podcast ( http://navicast.podhost.de ). Der Aufwand für die Produktion einer 12 bis 15 minütigen Folge des Podcast beträgt jeweils einen ganzen Tag - in der Zeit schreibe ich ein paar Dutzend Posts. Aus purer Faulheit würde ich sicher nur bloggen und nie podcasten.
Die grosse Stärke von Podcasts liegt meiner Ansicht nach darin, dass sie gut Emotionen vermitteln. In der letzten Folge interwievte ich zum Beispiel einen jungen Mann, der gerade zum ersten Mal einen Hubschrauber pilotiert hatte. Er war völlig überwältigt vom Erlebnis und er tönte entsprechend. Ein geschriebener Text hätte die nie so direkt vermitteln können.
Zum blossen Informationstransfer sind geschriebene Texte sicher effizienter. Das Problem, dass man Podcasts nicht «querlesen» kann, lässt sich aber zum Teil lösen. Zum Beispiel mit detaillierten Inhaltsverzeichnissen mit Zeitangaben in den Tag. Oder auch mit Markierung im Audiofile, zu denen der Hörer springen kann. Dafür muss der Podcast allerdings als m4a-Format abgespeichert werden, das dann nicht auf allen Playern funktioniert.
Markus sagt es bereits: Podcasts sind eine Ergänzung zur geschriebenen Sprache - ein Allerweltsmittel sind sie nicht. Jedes Medium hat seine Stärken und Schwächen. Der richtige Mix macht es aus.
Posted by: Patrick | Thursday, 19 April 2007 at 22:50
Ich würde es niemals wagen, auch nur zu denken, geschweige denn zu behaupten, dass Podcaster diese Ausdrucksform aus Bequemlichkeit bevorzugen (von Ausnahmen einmal abgesehen). Den Begriff Bequemlichkeit habe ich auf andere Formen der verbalen Kommunikation bezogen. Verzeihung, wenn ich mich da unpräzise ausgedrückt habe.
Es gibt viele Gründe, warum manche Online-Publizisten die Form des Podcasts bevorzugen und auch manchen "Leser", die Audio-Form (gelegengtlich) bevorzugen. Es gibt ja auch Hörbücher. Und die verkaufen sich in den letzten Jahren ausgesprochen gut.
Posted by: Markus Breuer (Pham Neutra) | Friday, 20 April 2007 at 04:49
"..wenn ich Telefonversuche freundlich aber bestimmt abwiegle und sie bitte, mir doch schnell eine kleine Email zu schicken. Ist nicht unhöflich gemeint. Das Problem ist: Telefonate sind (für viele Zwecke, für die sie verwendet werden) furchtbar ineffizient."
Genau, denn das ist doch die Hauptsache im Leben, möglichst effizient, oder?
Oh je.
Leute, die allen Ernstes einer halbwegs persönlichen und direkten Kommunikation wie dem Telefonieren lieber die email vorziehen, beneide ich nicht.Und auch nicht deren Freunde.
Hat man mit so einer Einstellung denn überhaupt noch welche ?
Wenn also Telefonieren so furchtbar ineffizient sein soll, wie umsoviel mehr anstrengend und noch weniger effizient muss dann erst ein persönliches Treffen für so jemanden sein..?
Erstaunlich und bestürzend.
Posted by: Frank | Friday, 20 April 2007 at 05:51
Just relax, Frank. Ich schreibe so etwas ja nicht, damit jemand mich oder andere beneidet. :) Nimm es nicht persönlich, aber aus diesem Kommentar ist entweder ein Nicht-Verstehen oder Nicht-Verstehen-wollen zu lesen. Speziell in (halb-)öffentlichen Diskussionen leider nicht selten.
Ich weiß nicht, wie oft ich es noch wiederholen muss: es gibt (glücklicherweise!) viele unterschiedliche Kommunikationsformen, die für unterschiedliche Zwecke optimal sind. Also verwende ich als vernünftiger Mensch diese mir zur Verfügung stehenden Formen für diese unterschiedlichen Zwecke. Ich habe nichts gegen Telefonate und nichts gegen persönliche Gespräche. Letztere können - für bestimmte Zwecke - sehr effizient sein. :)
Wäre ich ein streitsüchtiger Mensch würde ich sagen, dass ich es eher bestürzend finde, dass es Menschen gibt, die diese reichhaltige Auswahl von Möglichkeiten nicht nutzen. Aber das wäre gelogen. Es bestürzt mich nicht. Dazu ist es zu üblich. Trotzdem schade.
Posted by: Markus Breuer (Pham Neutra) | Friday, 20 April 2007 at 07:54
Der Artikel ist wie immer gut. Man darf nur nicht vergessen, dass ein Blog eben ein Blog ist und keine wissenschaftliche Abhandlung und das sollte er auch nicht sein. Ein Blog soll Ecken und Kanten zeigen, sonst lese ich ihn nicht, dann kann ich gleich einen Newsletter bestellen.
Ich bin ein leidenschaftlichern Anwender von Podcasts, da ich damit endlich die Zeit im Auto bzw. beim Sport sinnvoll überbrücken kann.
Einfach locker bleiben. Wie der Autor schon sagt, "Zu jedem Zweck und Anlass muss die optimale Kommunikationsform gewählt werden!
Posted by: Peter | Friday, 20 April 2007 at 19:35