Gestern flatterte eine Presse-Mitteilung in meine Inbox, dass ein tatendurstiges Jungunternehmen damit begonnen hat, die Münchener Innenstadt in Second Life nachzubauen. Ich fand das nicht besonders erwähnenswert und habe die Meldung erst einmal gelöscht. Hinterher bin ich aber ins Nachdenken gekommen. München ist ja nicht die erste deutsche Stadt in Second Life (ich meine auch, irgendwo schon einmal ein München gesehen zu haben). Frankfurt und Berlin sind schon präsent. Ich meine, auch schon mal von einem ambitionierten Projekt zu Hamburg gelesen zu haben.
Und stets ist das Geschäftsmodell dahinter (laut den entsprechenden Pressemeldungen) ähnlich: Es basiert auf der Annahme, dass Unternehmen aus der physischen sich darum reißen werden, an diesen Zentren des urbanen Lebens in der virtuellen Welt präsent zu sein - speziell wenn sie bereits im ersten Berlin, Frankfurt, München etc. ihre Niederlassungen und Ladenlokale haben.
Ich bin da unentschieden - und will auch nicht zu kritisch sein. Ich frage mich aber ganz ernsthaft, ob und wie ein solches Geschäftsmodell funktionieren kann. Wer kann wirklich von solchen Angeboten angezogen werden? Sind es die Leute, die in der physischen Realität in dieser Stadt wohnen? Die Geschäfsleute, die hier Ladenlokale unterhalten? Touristen?
Aktuell scheint die Anziehungskraft nicht dramatisch zu sein. München ist zwar noch eine Baustelle (sieht schon sehr viel versprechend aus). Aber auch in Frankfurt (hier rechts) und Berlin tanzt nicht gerade der Bär. Und der Vermietungsstand der Lokalitäten scheint momentan noch auf einem überschaubaren Niveau zu liegen - um es höflich auszudrücken. Das kann sich natürlich noch ändern.
Was ich mich auch frage, ist, warum das - in dieser Form - ein typisch deutsches Phänomen zu sein scheint. Berlin, Frankfurt, München ... In anderen Nationen scheint offensichtlich der Lokalpatriotismus deutlich geringer ausgebildet zu sein. Nein, bitte nicht die Gegenbeispiele Dublin und Amsterdam anführen. Das sind deutlich andere Geschäftsmodelle. Speziell Amsterdam richtet sich nicht in erster Linien an Niederländer sondern ist ein weltweit verstandenes Synonym für "Rotlichtviertel". Das ist übrigens die einzige "Stadt-Kopie" in Second Life, in der wirklich etwas los ist.
Sollte ich mich vielleicht mit dem Gedanken tragen, meine niedliche Heimatstadt Paderborn nach Second Life abzubilden?
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Gibt es Bielefeld? In Second Life? :)
Posted by: Jan Schmidt | Tuesday, 22 May 2007 at 22:23
Wie jeder weiß, gibt es Bielefeld nicht wirklich (http://de.wikipedia.org/wiki/Bielefeldverschw%C3%B6rung)
Und, dass meine offizielle Büroadresse Bielefeld lautet, ist in Wirklichkeit nur eine Verklausulierung der Tatsache, dass auch ich kein wirkliches Büro habe.
Eine Stadt in SL "nachzubauen", die es nicht einmal im ersten Leben gibt ... das wäre doch zu viel der virtuellen Realität.
Posted by: Markus (Pham Neutra) | Wednesday, 23 May 2007 at 06:27
Mal ausser Acht gelassen, wie Sinnvoll der Nachbau des Wirklichen im Falschen auch ist...
...Es gibt inzwischen einen sehr sympathischen Ansatz Berlin eins zu eins zu spiegeln (New Berlin)
Interessant ist aber vor allem das dazugehörige Mashup Tool: http://www.mapinmap.com/
Hier werden die realen Orte mit den virtuellen verknüpft, damit man Paderborn dann auch wieder findet ;-)
Best, Florian
Posted by: Florian Alexander Schmidt | Wednesday, 23 May 2007 at 09:34
Na ja, also da es schon "Ebersberg" und "Kreiss" gibt (die liegen auch in Bayern) aber glücklicherweise Inseln sind und eher Strand und Salsa bieten, bin ich mir nicht Sicher ob München so ein Hit wird. Und wie machen sie es um 23:00 (da werden ja bekanntlich in München die Bürgersteige hochgeklappt) ??
Warscheinlich haben sie sich das System bei Beate Uhse abgeschaut, lach, die machen auch um 23:00 zu, lach. Interessantes Model, ich lach mich schlapp.
TJ
Posted by: TJ Ay | Wednesday, 23 May 2007 at 10:07
Als Büro-Mieter im virtuellen Frankfurt kann ich etwas zu der Beantwortung der Frage beisteuern.
In Second Life gibt es - im Gegensatz zum Internet - eine Standortfrage. Als Unternehmen besitze ich unter anderem die Wahl zwischen einer eigenen Insel (teure Variante), einem x-beliebigen virtuellen Gewerbegebiet und der virtuellen Umsetzung einer realen Region.
Im Kern sind die virtuellen Regionen wie FFM, MUE "auch nur" gemischte Gewerbegebiete, aber es gibt im Unterschied den anderen Gewerbegebieten immerhin schon einen konzeptionellen Ansatz und Chancen und Ansätze eine Community aufzubauen.
Zugegeben, der lokale Bezug erscheint nicht der Weisheit letzte Schluß, ist aber deutlich mehr als die austauschbaren "Nichtkonzepte" anderer Gewerbegebiete und war damit für meine Standortentscheidung ausschlaggebend.
Übrigens, als reales Offenbacher Unternehmen ist die Wahl des Standortes "virtuelles Frankfurt" gegen (!) den Lokalpatriotismus und nicht aufgrund dessen gefallen.
Posted by: Matthias Rückel | Wednesday, 23 May 2007 at 10:52
@Florian:
> Mal ausser Acht gelassen, wie Sinnvoll
> der Nachbau des Wirklichen im Falschen auch ist...
Genau das war aber die Frage. :)
Ich kenne natürlich New Berlin und MapInMap. "Sympathisch" sicherlich. Mich interessiert ja nur die Frage, ob's als Geschäftsmodell funktioniert, wie es wen (Anbieter, Kunden ...) anzieht usw.
Deshalb
@Matthias Rückel: Danke für den Input
Posted by: Markus Breuer (Pham Neutra) | Wednesday, 23 May 2007 at 13:25