Als ich vor sechs Wochen die Vermutung äußerte, dass das Wachstum von Second Life langsamer wird, war dies noch eine gewagte Vermutung aufgrund erster Indikatoren in einer Analyse der Benutzerzahlen. Siehe die nebenstehende Grafik. Die rote Kurve darin ist die Anzahl der gleichzeitig aktiven Anwender (concurrent user) auf der Plattform.
In der letzten Woche scheinen auch andere Beobachter zu dieser Erkenntnis gelangt zu sein. Die bekannte Second Life Statistikerin Tateru Nino wurde von Hamlet Au zu diesem Thema interviewt und präsentierte die folgende Grafik.
Auch hier ist deutlich eine Art Plateau bei 40.000 in der Zahl der gleichzeitig aktiven Anwender zu sehen. Nicht, dass Mißverständnisse aufkommen: die gern zitierte Zahl der jemals eingerichteten Accounts wächst weiterhin. Sie liegt inzwischen bei deutlich über 6 Millionen. Diese Zahl wächst weiterhin stark mit rund 15% - 20% pro Monat. Bis Anfang des Jahres wuchsen auch alle anderen Kenngrößen mit vergleichbarer Geschwindigkeit. Das scheint nun vorbei zu sein.
Das heißt nicht, dass Second Life nicht mehr wächst. Die Frage bleibt aber, welche Kenngrößen man betrachtet, wenn man von "Wachstum" spricht. Zwar nimmt die Anzahl der Menschen, die einen Second Life Account besitzen (und nutzen) weiter zu. Gleichzeitig nimmt aber die Anzahl der täglich im Durchschnitt in Second Life verbrachten Stunden ab. (Siehe auch Giff Constable's ausgezeichneten Artikel zu den aktuelle Zahlen).
Über die Ursachen lässt sich trefflich streiten. Viele Anwender sind der Ansicht, dass es an der schwachen Performance des Netzwerks liegt. The Theorie lautet, dass zu den Spitzenzeiten die Reaktionszeiten so schlecht werden, dass die Leute entnervt aussteigen. Tateru Nino dazu:
"[P]ractical growth in activity seems to have stalled," she concludes, "because the platform cannot presently scale to meet the user-experience demands being placed on it."
Da ist sicherlich Wahres dran. Plausibel erscheint mir aber auch, dass sich die Anwenderschaft ändert. Viele der neu hinzu kommenden Anwender sind "casual user". Für sie ist Second Life nicht Hobby No. 1 (oder gar Arbeitsplatz) sondern nur ein weiteres Angebot, in dem man einen Teil seiner Freizeit und Arbeitszeit verbringt.
Und das ist eigentlich eine gute Entwicklung. Sie zeigt, dass es möglich ist, mit dieser Plattform weitere Zielgruppen zu erreichen und nicht mehr nur auf Hardcore-User beschränkt ist. Normalität kehrt ein. Second Life wird mehr "Mainstream".
Für den endgültigen Durchbruch bleibt aber noch Einiges zu tun - und, wenn das nicht passiert, wird vermutlich eine andere Plattform das Rennen machen.
Denn, was die aktuellen Zahlen auch deutlich machen, ist, dass lediglich 10% der Anwender, die SL testen, dabei bleiben. Und dafür ist sicherlich die zu einigen Tageszeiten miese Performance und die steile Lernkurve mit-verantwortlich. Oder, wie Giff Constable/Forseti Svarog schreibt:
I expect that we won’t see a leap in retention until the user interface improves, overall stability improves, rich in-world activities become more prevalent, and more friend networks come online (often pulling back people who tried SL and left).
Recht hat er.
Aber insbesondere die Verbesserungen der Benutzeroberfläche werden sicherlich eine Weile dauern. Performanceverbesserungen hingegen finden aktuell bereits statt. Die Erfolge sind schwierig objektiv zu messen. Tatsächlich kommt mir Second Life subjektiv aber inzwischen schon schneller vor; gerade zu Spitzenzeiten. Das mögen schon die Auswirkungen des Wechsels zu einer MySQL-Version sein. Bedauerlich bleibt aber, dass auf Seiten der Usability kaum Verbesserungen zu sehen oder auch nur zu erahnen sind - bei Linden Lab regiert in dieser Hinsicht nach wie vor eine Hacker-Kultur. Schade.
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Nun hab ich mich aus meinem Krankenbett augerafft um mal in die Runde zu schauen. Und natürlich ist einer meiner ersten Anlaufstellen diese Seite. :)
Zum Thema, stempel es als fiebrigen Gedanken ab, aber spontan kam mir das gute Wetter und die anstehende Jahreszeit in den Kopf. Aus anderen Internetprojekten, aus meiner Vergangenheit kann ich nur sagen, das es dort sehr gut zu beobachten war, das gen Sommer, die Aktivenzahlen rapide in den Keller fielen um dann im Herbst wieder anzusteigen. Das ist ein Faktum, welches ich noch zu den Prognosen beachtet wissen will. Ich denke, das das auch eine nicht unerhebliche Auswirkung hat.
LG TOM
Posted by: Vin Tomsen | Sunday, 13 May 2007 at 09:32