Zu meiner Schande (oder auch nicht?) muss ich gestehen, dass ich mich - obwohl nun Vater eines Siebenjährigen - bis vor rund einem Jahr kaum um das Thema Pädophilie gekümmert habe. Das einzige, an was ich mich erinnern kann, ist ein Spruch, den ich immer 'mal ironisch verwendet habe, wenn jemand in Frage stellte, ob man eine bestimmte Idee im Web realisieren sollte: "Internet? Da halt' ich nix von! Sind da nicht nur Kinderschänder und Bombenbauer unterwegs?" OK, immer für einen Lacher gut - und wie immer, hat ein Witz einen schmerzhaften Kern: in den Anfangszeiten des Webs kursierten halt die entsprechenden Vorurteile durch die einschlägige Boulevard-Presse.
Ein Thema ist das für mich erst wieder geworden, als ebendiese Presse auf Second Life aufmerksam wurde und - oh Wunder - auch hier Pädophile entdeckte. Es gibt eben ein paar Themen, mit denen man immer zuverlässig die Leserschaft begeistern kann. Und es gibt gewisse Kreise in der Politik, nicht nur in Deutschland, die sich mit solchen Themen immer gerne profilieren. Hinter einen angegierten Beschützer des Nachwuchses muss man sich doch immer scharren (und inh/sie dann auch wählen), oder?
Trotzdem war ich dann etwas verwundert, als ich vor etwas zwei Wochen las, dass MySpace 29.000 Triebtäter (!)ausgeschlossen haben. Auch das wurde natürlich gross in der Presse breit getreten. N-TV titelt zum Beispiel knackig Surfende Triebtäter: Von MySpace ausgeschlossen. Schönstes Zitat:
Der rapide Zuwachs von Triebtätern auf MySpace "schreit nach Taten", sagte der Generalstaatsanwalt des US-Staates Connecticut, Richard Blumenthal. [...] Ein Amtskollege aus einem anderen Bundesstaat forderte, dass Kinder nur mit Erlaubnis ihrer Eltern ein eigenes Profil anlegen dürfen. Dabei müsse aber auch die Identität der Erziehungsberechtigten kontrolliert werden.
Hmmm. 29.000 Leute sind ja nicht wenig, selbst in einem großen Land wie den USA. Soviele Triebtäter bei MySpace? Interessant wird es, wenn man sich mal ansieht, was das für "Triebtäter" sind. Die Fakten dazu hat Stephanie Booth aufgelistet:
One man, arrested in 1944 for touching the knee of another man in a parked car, was surprised when his wife collected the mail containing an envelope, stamped “sex crime” in red ink, telling him he needed to register as a sex offender. [...]
[...] and depending on the state you’re in, you’re a “sex offender” under Megan’s Law if you get caught urinating in public, mooning, skinny dipping, or if you get busted having consensual sex in public. Think of how lopsided these charges must be in homophobic states.
Man kann also zum Sex-Offender - in der deutschen Presse "Triebtäter" - werden, wenn man als Mann vor 50 Jahren einmal einen anderen Mann am Knie angefaßt hat, bei einem Schäferstündchen im Park erwischt wird oder vielleicht auch nur, weil man von den falschen Leuten beim Pinkeln hinter den Busch erwischt wird. Klar, vor solchen Leuten müssen unsere Kinder bewahrt werden. Oder?
Wer mehr über die erstaunlichen Fakten zu einer Meldung wie dieser wissen möchte. Einfach mal bei Stephanie Booth nachlesen.
Wie nennt man solche Aktionen also? Panikmache? Neiiiiiiiiin. Diesen Staatanwälten (in den USA übrigens Wahlbeamte) liegt natürlich nur das Wohl unserer lieben Kleinen am Herzen. Und deshalb müssen diese vorm Internet beschützt werden.
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